9000 Höhenmeter bergab, 4600 Höhenmeter bergauf verteilt auf 120 Kilometer – alles auf Zeit. Das sind die Daten des zweitägigen Allmountainrennens Pyr Epic inmitten der Hautes Pyrenée, bei dem unser Gastautor Johannes Habel alias IBC-User racejo teilgenommen hat. Hier ist sein Rennbericht!
Als ich mich im Frühjahr zum Rennen anmelde, ahne ich nicht wirklich, was mich erwartet. Beim Enduro Racing bin ich zwar zu Hause, doch ein französisches Allmountain „Raid“ ist etwas völlig Neues für mich. Mit meinen Französisch-Kenntnissen schaffe ich herauszulesen, dass es eine Mischung aus Marathon und Enduro Rennen ist. Es werden also anspruchsvolle Trails bergab gemeistert und bergauf heißt es teilweise über 1.000 Höhenmeter lange Anstiege Kette rechts.
Bei der Anmeldung im Wallfahrtsort Lourdes kommen verschiedenste Bikes zum Vorschein, zwischen Enduros und Allmountains finden sich auch immer wieder superleichte Marathon-Fullys. Ich sehe mich schon im Duell mit den rasierten Waden der Inhaber und deren Marathon-Maschinen auf den Uphills, das wird weh tun! Für mich sind die größten Lichtblicke die Downhills auf den kilometerlangen Traumtrails der Pyrenäen, hier will ich Zeit gut machen.
Race O’Clock – Aufwachen auf dem Pic du Midi
Samstag, 4:30 Uhr: „Piep Piep“, endlich! Nachdem ich in der Nacht vor dem Rennen kein Auge geschlossen habe, wirkt das Klingeln des Weckers befreiend. Der Tag beginnt mit einem feinen französischen Frühstück im Hotel Alba, alle Teilnehmer sind hier versammelt, es wimmelt nur so vor Nervosität und Vorfreude. Bevor wir den Start erreichen, steht uns noch eine Busfahrt über eine kurvige Passstraße nach la Mongie bevor. Hier steigen wir in die Gondel zum Pic du Midi de Bigorre ein, auf fast 3.000 Metern Höhe befindet sich der Start des Rennens. Die Schönheit der Landschaft und die Aussicht hoch über den Wolken lassen meine Vorfreude noch weiter steigen. Ich will einfach nur noch auf mein Bike!
Dank meiner niedrigen Startnummer 11 kann ich als einer der ersten in das Rennen gehen, es wird im 15 Sekunden-Takt gestartet. Der 1.500 Höhenmeter lange erste Downhill wird uns gleich heftig aus dem Schlaf wecken. Der Trail beginnt in einer Mondlandschaft, gespickt mit spitzen Steinen. Ich vertraue dem Setup meines Votec VX und lasse das Bike über den Untergrund fliegen, schon nach den ersten Kurven laufe ich auf die ersten vor mir gestarteten Fahrer auf. So kann es gerne weiter gehen. Es geht über alpine Wanderwege nach unten, ich achte vor allem darauf Geschwindigkeit mitzunehmen und nicht zu viel zu investieren, es wird schließlich ein langer Tag. Am Ende der Abfahrt kann ich sogar noch auf den ersten Markel Uriatre auffahren. Zusammen verfahren wir uns allerdings gleich nach dem ersten Checkpoint, dabei stoßen wir auf Romain Loubet, der ab sofort jede Kreuzung richtig nimmt.
Hochmotiviert geht es in den ersten kurzen Anstieg. Mir wird schnell klar, dass ich das Tempo in der Spitze nicht über die ganze Distanz halten kann. Mein Ziel ist es allerdings so lange wie möglich an Romain dran zu bleiben, da er die Strecke scheinbar kennt und ich so Kraft sparen kann. Vor uns fahren die Marathonprofis in einer anderen Welt, ihren Speed auf den leichten Bikes können wir bergauf nicht mitgehen. Da hilft’s auch nicht, dass wir bergab auf den Traumtrails am Gashahn hängen.
Augen auf bei der Linienwahl
Nach vielen kleinen Gegenanstiegen und Abfahrten folgt nun der mit 1.2950 Höhenmetern längste Anstieg des Tages zum Col de Riou. Ich kann mich von Romain lösen, er scheint sich die Kraft einteilen zu wollen, ich will einfach alles geben. Ein Fehler, kurze Zeit später übersehe ich eine Abzweigung und finde mich im Niemandsland wieder. Ich muss mich per GPS orten und wieder zur Strecke zurückfinden. So verliere ich leider einige Minuten. Romain ist an mir vorbeigezogen. Auf dem Weg zum Gipfel nähert sich von hinten die Downhill Legende Anne-Caroline Chausson mit ihrem E-Bike. Es tut schon weh so locker überholt zu werden, während ich in einer technischen Bergaufpassage mit mir selbst kämpfe. Aber immerhin spricht mir die mehrfache Weltcupsiegerin Mut zu.
Nach einer schier endlosen Tragepassage öffnet sich der Wald und ich finde mich in traumhaftem Gelände wieder. Doch für mich zählt heute nur noch ankommen, mit letzter Kraft kämpfe ich mich zum baumlosen Gipfel. Endlich kann ich in die lange Schlussabfahrt einbiegen, Kurve um Kurve geht es nach unten. Ich will jetzt nochmal richtig aufdrehen und die verlorene Zeit aufholen. Dies funktioniert auch, bis ich mich im Wald inmitten einer Kuhherde wieder finde. Die Kühe nehmen an Fahrt auf und ich muss in einer Serpentine im Freeridemodus in den Wald abbiegen, um sie zu überholen.
Keine Chance gegen den Turbo
Mitterweile bin ich auf einen spanischen Fahrer aufgefahren, am letzten Gegenanstieg nehme ich mir vor an ihm dran zu bleiben. Kurze Zeit später merke ich: „Gar keine Chance“. Mein Konkurrent sprintet den Anstieg hinauf und mir schießen die Krämpfe ein. Nach dem Rennen werde ich ihn wieder ganz oben auf dem Podium zu Gesicht bekommen. Auf den letzten Metern heißt es nochmal drücken. Im Ziel in Cauterets bin ich völlig erschöpft, ein harter erster Tag des Pyr’Epic liegt hinter mir.
Zeit zum Entspannen
Jetzt heißt es Bike waschen und regenerieren. Ein frischer Burger ist der größte Genuss nach all der Anstrengung. Auch am Abend weiß das Essen zu überzeugen, bei einer großen Pasta-Party lassen die Teilnehmer ihre Erlebnisse Revue passieren. Ich lasse mich müde ins Bett fallen. Diesmal fallen mir sogar die Augen zu. Morgen stehen mehr als 2.500 Höhenmeter bergauf und 4.900 Höhenmeter bergab auf dem Plan. Ein wenig Schlaf kann da nicht schaden.
Tag 2: Mit Vollgas in die guten Vorsätze
Diesmal klingelt der Wecker um 5:00 Uhr. Das fühlt sich fast nach ausschlafen an. Es geht nach einem Frühstück an der Talstation in Cautarets bis auf 2.250 Meter mit Gondel und Sessellift nach oben. Zum Sonnenaufgang wird nach den Ergebnissen vom Vortag gestartet, ein alpiner Trail nimmt mich gleich in den Bann. Hier will ich meine Aufholjagd starten. Mit mehr Schlaf in der Nacht und cleverer Renneinteilung ist der Sprung von Platz 14 in die Top 10 möglich. Der gerade noch definierte Trail mündet in einen großen Grashang, ich verliere schnell im Gewirr der Fahrer die Orientierung und entschließe mich dazu den gradlinigste Weg einzuschlagen. Immer mehr Kontrahenten kann ich so überholen, bis ich durch zu optimistische Linienwahl nach einer Stufe abrupt zum Stehen komme. Ich mache einen Purzelbaum und sammle mein Bike wieder ein. Weiter geht’s!
Der Trail wird bald wieder leichter zu lesen und zirkelt sich durch einen dunklen Wald nach unten. Auf der Asphaltstraße am malerischen Lac d’Estaing schließe ich auf Romain und später sogar auf den späteren dritten Markel auf. Wir machen Tempo auf der Asphaltstrecke, doch an den folgenden langen Anstiegen kann ich das Tempo nicht halten.
High Speed-Bikebergsteigen
Vom Col de Couret folgt eine Bikeparkstrecke, die mir mal wieder das Grinsen ins Gesicht treibt, doch meine wahre Prüfung soll heute noch kommen. Der Anstieg zum Pibeste ist für mich in diesem Tempo eine quälende Partie, nach einer langen Bergaufstrecke folgt eine lange Schiebepassage, es riecht nach High Speed Bike Bergsteigen. Die Franzosen und Spanier scheinen wahre Spezialisten in diesem Metier zu sein. Ich kann nicht mal zu Fuß ihren Speed halten, während sie sich gemütlich über ihre Bikes unterhalten. Endlich oben angekommen heißt es wieder Geschwindigkeit auf den unglaublichen Trails in Richtung Lourdes aufnehmen, nach einem letzten Gegenanstieg ist es fast geschafft.
Rein in die Top 10
Es wartet nur noch eine Abfahrt vom Downhill Weltcup-erprobten Pic du Jer. Auf dem Transfer zur Bahn kühle ich meinen Kopf in einem Fluss ab, vor mir liegen noch 748 Tiefenmeter Abfahrt, gespickt mit 300 Höhenmetern Gegenanstiegen. Ich will nochmal alles geben, motiviert sprinte ich wie bei einem Enduro-Rennen am Start gleich los, so werden die ersten 70 Höhenmeter bis zur Abfahrt zu einer feinen Qual. Der erste Teil der Abfahrt gestaltet sich flowig, immer wieder nutze ich natürliche Highlines und kann so einen guten Rhythmus beibehalten. Der folgende Gegenanstieg vor der wirklich letzten Abfahrt durch den Bikepark in Lourdes lässt meine Oberschenkel ein letztes Mal brennen. Dann ist es geschafft, ich komme als 10. im Ziel des Pyr Epic an. Es war mir eine wahre Freude, selten habe ich meine Grenzen so aufgezeigt bekommen wie in den letzten beiden Tagen. Doch die Trails in einer unglaublich schönen Landschaft waren alle Mühen wert. Danke Pyr Epic für dieses sensationelle Erlebnis!
Die Hautes Pyrenees sind eine Perle unter Europas Bikedestinationen. Sie werden mich hoffentlich bald wieder sehen!
Infos zur Veranstaltung: www.lourdesvtt.com | www.facebook.com/PyrEpic
Infos zu Bike und Ausrüstung
Information: MTB-News.de steht in keiner Weise in finanzieller Verbindung zu Verfasser, Fotograf oder Organisator des Berichts. Der Bericht wurde uns von Johannes Habel kostenfrei zur Verfügung gestellt. Für weitere Informationen zum Rennen findet ihr den Link zum Anbieter im Artikel.
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