Willkommen zum zweiten Artikel unserer Serie über die Entwicklung eines Fahrradrahmens! In diesem Artikel behandeln wir das Lastenheft – also alles, was wir neben der im ersten Artikel angesprochenen Kinematik-Thematik gerne noch in diesem Projekt verwirklichen wollen.
Wie schon versprochen versorgen wir euch hier zusätzlich zum Video noch mit etwas detaillierteren Infos. Heute wollen wir euch gerne noch erklären, wie wir denken, dass ein Sitzwinkel sinnvollerweise konstruiert werden sollte, um für jeden Fahrer eine optimale Position zu finden.
Jetzt aber erst einmal Vorhang auf für Episode 2 unserer Serie:
Hier noch eine der ersten Skizzen, die uns durch das Projekt geleitet hat. Wie man unschwer erkennt, wollen wir ein absolutes Vollgas-Enduro fürs Grobe bauen.
Überlegungen, die zu unserer Definition des Sitzwinkels geführt haben
Moderne vollgefederte Rahmen erfordern häufig, das Sitzrohr nicht in direkter Linie auf das Tretlager laufen zu lassen, sondern es ein ganzes Stück nach vorne zu versetzen. Grund dafür kann die Lage der Hebel oder auch der Zielkonflikt zwischen kurzen Sitzstreben und genügend Freigang zwischen Reifen und Sitzrohr beim Einfedern sein.
Wenn man das Sitzrohr nach vorne verschiebt, existiert der klassische Sitzwinkel nicht mehr so richtig. Er wird abhängig vom Sattelstützenauszug. Der Winkel des Sitzrohres alleine hilft beim Auswahl eines Rahmens nicht mehr weiter, da die Sitzposition auch durch den Offset nach vorne bestimmt wird. Die meisten Hersteller geben also einen effektiven Sitzwinkel an. Dabei arbeiten sie mit einer gedachten Linie zwischen Tretlagerachse und einem Punkt auf der Achse des Sitzrohrs. Häufig liegt dieser Punkt auf einer horizontalen Linie mit der Oberkante des Steuerrohrs. Wenn man die Sattelstütze höher auszieht, wird der Winkel flacher, als im Datenblatt angegeben. Davon sind besonders große Fahrer betroffen.
Bei vielen Herstellern führt das in der Vergangenheit dazu, dass sehr große Fahrer das Gefühl haben, auf dem Hinterrad zu sitzen. Inzwischen sind einige Firmen dazu übergegangen, die Winkel deutlich steiler zu gestalten und dem so entgegen zu wirken. Jedoch beziehen sich die Angaben der Sitzwinkel in den meisten Fällen immer noch auf Höhe des Steuerrohrs. So weiß der Fahrer nach wie vor nicht, welchen Winkel er denn erhalten wird.
Unser Ansatz zur Sitzwinkelproblematik
Wir haben vor einiger Zeit eine größere Menge an Fahrern vermessen – bezüglich Sitzhöhe, Schrittlänge und Körpergröße. Daraus haben wir typische mittlere Sitzhöhen für die unterschiedlichen Rahmengrößen abgeleitet. Die Definition des effektiven Sitzwinkels beziehen wir nun auf diese Sitzhöhe. So bekommt ein durchschnittlich großer S-Fahrer genau den gleichen Sitzwinkel wie ein durchschnittlich großer XL-Fahrer. Natürlich variiert der Sitzwinkel immer noch ein wenig, wenn man größer oder kleiner als der von uns definierte Durchschnittsnutzer einer Größe ist. Aber diese Abweichung ist relativ klein im Gegensatz zur herkömmlichen Definition. Sie kann mit dem Sattelgestell den persönlichen Vorlieben angepasst werden.
Was haltet Ihr davon? Habt Ihr eigene Erfahrungen mit ungünstig konstruierten Sitzwinkeln? Was sagt Ihr ansonsten zu den Spezifikationen – gefällt euch die Richtung oder ist es schon zu radikal?
Alle Artikel zum 77designz-Projekt
- “Wir entwickeln einen Fahrradrahmen” von 77Designz: Teil 2: Das Lastenheft
- “Wir entwickeln einen Fahrradrahmen” von 77Designz: Teil 1: Die Idee
Der Beitrag Teil 2: Das Lastenheft erschien zuerst auf MTB-News.de.