Die Serie ist gerissen! Nino Schurter verliert in einem wahnsinnig spannenden Rennen erstmalig seit dem Weltcup-Auftakt 2017 den Kampf um Platz 1 eines Cross Country-Weltcups. Der U23-Weltmeister Sam Gaze entthront den Seriensieger des vergangenen Jahres dank eines couragierten Auftritts und taktischer Raffinesse. Platz drei sichert sich der Gesamtweltcupdritte des Vorjahres, Maxime Marotte. Bei den Damen streift sich die Dänin Annika Langvad das erste Leaderjersey der Saison über. Überraschung aus deutscher Sicht: Helen Grobert feiert mit dem vierten Rang ihr bestes Karriereresultat!
Herren: Sam Gaze düpiert Nino Schurter
Ein Weltcup-Rennen in der zweiten Märzwoche sollte sicher nicht überbewertet werden. Nichtsdestotrotz ist dem Neuseeländer Sam Gaze ein historischer Erfolg gelungen, der für alle Top-Fahrer in der Weltspitze ein Weckruf sein dürfte: Nino Schurter ist besiegbar! Nach der perfekten Saison im vergangenen Jahr mit Triumphen bei allen Weltcup-Rennen rund um den Globus und der Verteidigung des Weltmeistertitels sah im südafrikanischen Stellenbosch zunächst alles danach aus, als würde es ein allzu übliches Rennszenario geben.
Früh im Rennen bildete sich eine Spitzengruppe, die maximal fünf Fahrer umfasste. Gemeinsam mit Schurter und Gaze, der sich mit einem famosen Start von Startplatz 30 schon nach 50 Metern an die Spitze des Feldes bugsierte, fuhren Gazes Landsmann Anton Cooper, der spätere drittplatzierte Marotte und Cyclocross-Star Mathieu van der Poel an der Spitze. Ähnlich wie Gaze musste van der Poel sich von einer hinteren Startposition nach vorne kämpfen, jedoch mit deutlich mehr Kraftaufwand als Gaze, dauerte es bei dem Niederländer van der Poel mehr als eine Runde, um den Anschluss an die Spitze herzustellen.
Dieser Kraftakt schien ihm sichtlich zuzusetzen, sodass er zunächst gemeinsam mit dem Franzosen Maxime Marotte den Anschluss an das Spitzenduo Schurter und Gaze verlor, um dann später auch Marotte ziehen zu lassen. Der Neuseeländer Anton Cooper konnte bereits frühzeitig dem hohen Tempo nicht folgen und fiel zurück.
An der Spitze entwickelte sich ein packendes Rennen. Schurter war sich der Stärke seines deutlich jüngeren Kontrahenten bewusst, so hatte er bereits im Vorfeld vor dem U23-Weltmeister gewarnt. Einige taktische Spielereien brachten den drittplatzierten Marotte mehrere Male heran. Doch sich wiederholende Tempoverschärfungen sorgten dafür, dass es letztendlich zum Duell zwischen Schurter und Gaze um den Sieg kam. Schurter versuchte es wie im Vorjahr häufig bereits in der vorletzten Runde mit einer Attacke, konnte Gaze jedoch nicht abschütteln. Und so kam es auf der letzten Runde zum Showdown: Eingangs der letzten Abfahrt zum Ziel gelang es dem Top-Sprinter Gaze, mit einer beherzten Attacke die erste Position vor den technischen Passagen zu behaupten.
Somit ging er als Führender auf die letzten flachen Meter und zog den Sprint von vorne an. Schurter hielt dagegen, rutschte aber wenige Meter vor dem Ziel aus dem Pedal, woraufhin der Weg frei war für den ersten Weltcupsieg von Sam Gaze. Die Frage, ob Schurter ohne sein Malheur kurz vor dem Ziel den Sieg hätte an sich reißen können, war nach dem Rennen durchaus ein heiß diskutiertes Thema. Fakt ist: Schurters Siegesserie wurde von einem der größten Nachwuchstalente des MTB-Sports durchbrochen und Sam Gaze wird beim nächsten Weltcuplauf im Bullentäle in Albstadt mit dem weiß-roten Leader-Jersey am Start stehen.
Vielleicht der entscheidende Moment?
Der Drittplatzierte Maxime Marotte konnte einem fast leidtun, angesichts seines knappen Rückstands zum Spitzenduo das gesamte Rennen hinweg. Jederzeit schien der Franzose auf Tuchfühlung mit Schurter und Gaze, doch ernsthaft in den Kampf um den Sieg konnte er nie eingreifen. Mathieu van der Poel sicherte sich nach einer langen Cyclocross-Saison einen starken vierten Platz, mit dem er eindrucksvoll sein Potenzial andeutete.
Die deutschen Elitefahrer konnten nur bedingt mit ihren Ergebnissen beim Weltcup-Auftakt zufrieden sein. Der im Vorfeld kränkelnde deutsche Meister Manuel Fumic konnte sich lange um Position Zwölf aufhalten, verlor jedoch in den letzten Runden an Boden und landete auf dem 16. Rang. Markus Schulte-Lünzum auf Platz 38 und Martin Gluth auf Rang 44 konnten angesichts des frühen Zeitpunkts der Saison zufrieden sein.
Damen: Annika Langvad triumphiert, Helen Grobert auf Rang vier
Ähnlich wie bei dem Rennen der Herren gab es bei den Damen ein spektakuläres Duell an der Spitze um den ersten Weltcupsieg im Jahr 2018. Die Dänin Annika Langvad und die Französin Pauline Ferrand-Prevot kämpften lange um den Sieg – mehrere Führungswechsel inklusive! Während Schurter und Gaze bei den Männern erst auf den letzten Metern den Sieger unter sich ausmachten, gelang es Langvad im Damenrennen bereits in der fünften von sechs zu fahrenden Runden, eine entscheidende Lücke zu reißen. Diese konnte Ferrand-Prevot nie mehr schließen konnte.
Von Beginn an übernahm die spätere Siegerin Langvad das Zepter und setzte die Konkurrenz unter Druck. Lediglich Ferrand-Prevot gelang es, mit einem geringen Abstand zu folgen, um dann einen fahrtechnischen Fehler der Dänin auszunutzen und aufzuschließen. Danach konnte sie Langvad unter Druck setzen, doch die französische Meisterin übernahm sich dabei und konnte ihrerseits der späteren Siegerin nicht mehr folgen.
Bereits in der zweiten Runde gelang es der späteren Drittplatzierten Anne Tauber, sich aus einer Verfolgergruppe um Weltmeisterin Jolanda Neff zu lösen. Komplett ungefährdet, jedoch jederzeit mit zu großem Abstand auf die beiden Führenden schaffte es die Niederländerin, ihr bestes Weltcup-Resultat ihrer noch jungen Karriere einzufahren. Doch hinter ihr entwickelte sich ein packender Kampf um die verblieben Plätze auf dem erweiterten Podium.
Jolanda Neff, Catherine Pendrel, Maja Wloszczowska und eine in den letzten beiden Runden furios auffahrende Helen Grobert kämpften erbittert um den vierten Rang. Grobert arbeite sich von Rang 14 nach der ersten Runde vor und lag lange Zeit gemeinsam mit der deutschen Meisterin Sabine Spitz auf dem siebten Rang. Doch mit der zweitbesten Rundenzeit in der vorletzten Runde und einer famosen Schlussrunde gelang ihr der Anschluss an das Trio vor ihr. Auf der Zielgerade kam es dann zum Showdown zwischen Grobert, Neff und Wloszczowska – Pendrel musste schon zuvor abreißen lassen – mit dem besseren Ende für Grobert. Wloszczowska wurde Fünfte, Neff landete auf dem sechsten Rang.
Groberts Teilzeitbegleiterin Sabine Spitz landete letztendlich auf einem sehr respektablen achten Rang, Elisabeth Brandau rundete das sehr erfolgreiche Abschneiden der deutschen Damen mit dem 13. Platz ab. Die fünftplatzierte der diesjährigen Cyclocross-Weltmeisterschaften musste sich von Startplatz 55 vorkämpfen.
U23: Malene Degn gelingt erster Weltcupsieg, Max Brandl auf Rang Sechs
Bei den U23 Damen gelang der Dänin Malene Degn eine kleine Überraschung: Die Ghost-Fahrerin überzeugte bereits bei einem der Saisonauftaktrennen in Zypern und bestätigte in Stellenbosch ihre tolle Frühform. So feierte sie ihren ersten Weltcupsieg in der U23-Kategorie vor ihrer Teamkollegin und U23-Weltmeisterin Sina Frei. Dritte wurde die Britin Evie Richards. Bestplatzierte deutsche Fahrerin: Antonia Daubermann auf Rang zehn.
Im Rennen der U23-Herren lag aus deutscher Sicht der Fokus vor allem auf Max Brandl, dem Bronzemedaillen-Gewinner der U23-Weltmeisterschaften im Vorjahr. Trotz einer sehr unspezifischen Vorbereitung auf das frühe Rennen im Jahr konnte sich der Wahl-Freiburger im internationalen Spitzenfeld auf dem sechsten Rang platzieren. Auch Luca Schwarzbauer konnte sich gerade noch unter den ersten 20 platzieren. Gewonnen hat der Norweger Petter Fagerhaug vor dem Neuseeländer Ben Oliver und Neilo Perrin-Ganier, Teamkollege von Julien Absalon.
Das Rennwochende in 120 Sekunden
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