Scott Genius im ersten Test: Für das Modelljahr 2018 wird der Klassiker aus dem Hause Scott neu aufgelegt. Seit 12 Jahren gibt es das Genius – seitdem hat es sich vom Fully mit 120 mm Federweg zum aktuellen Allrounder entwickelt. Wir haben das Go-To Bike von Nino Schurter, Brendan Fairclough und Andrew Neethling vorab im Aostatal in Italien getestet – hier sind alle Infos sowie ein erster Eindruck für euch!
Scott Genius – kurz & knapp
Das Aostatal soll das perfekte Gelände für das neue Scott Genius sein: Hohe Berge, viele Höhenmeter, sowohl bergauf, als auch bergab. Weder ein reines XC-Bike noch eine Enduro-Rennfeile will Scott mit dem Genius geschaffen haben. Stattdessen soll das variable Fully mit 150 mm Federweg am Heck ein Bike für Alles sein: Von Abenteuer über die schnelle Ausfahrt nach der Arbeit bis hin zu spaßigen Sessions im Wald.
- Federweg: 150 mm
- Laufradgröße: 27,5“ oder 29“ im gleichen Rahmen fahrbar
- Reifenbreite bis zu 2,8″ (bei 27,5″-Laufrädern) möglich
- leichter Carbon Rahmen (2249 g Gr. M, Inkl. Dämpfer und Hardware)
- TwinLoc-Abriegelung für Federgabel und Dämpfer
- Geometrieverstellung um ± 0,6° Lenkwinkel bzw. 7 – 8 mm Tretlagerhöhe
- optimierte Kinematik
- Boost-Einbaubreite
- Postmount-Bremsaufnahme
- Interne Zugführung
- Pressfit-Innenlager
- 185 x 55 mm Dämpfer mit zwei Positiv Luftkammern
Preis: TBA | Bikemarkt: Scott Genius kaufen
Technische Daten
Rahmendetails
Am neuen Scott Genius kommen einige interessante Details zum Einsatz. Tim von Scott erklärt sie im Video kurz, wir haben sie noch einmal zusammengefasst:
Rahmen
Scott hat das Spark als Vorbild für den Rahmen des Genius genommen. Das ermöglicht eine leichtere Konstruktion. Das alte Genius hatte den Dämpfer am Oberrohr montiert. Um das Oberrohr stabil genug zu halten, mussten einige Extralagen Carbon verbaut werden. Beim neuen Design kann das Oberrohr deutlich leichter ausfallen. Unterrohr und Kettenstreben fangen einen Großteil der Belastungen ab. Da der Tretlager-Bereich die Antriebskräfte effizient umsetzen und generell etwas steifer ausfallen soll, wurde hier die untere Dämpferaufnahme platziert.
Auch an den Sitz- und Kettenstreben ist es Scott gelungen, das Gewicht zu reduzieren: Weniger Einzelteile, weniger Aluminium-Inserts, geringeres Gesamtgewicht. So wiegen die Kettenstreben des neuen Scott Genius auf 265 Gramm. Zum Vergleich: Die Kettenstreben der Vorgänger-Version sind knapp 100 Gramm schwerer. Insgesamt kommt der Rahmen in Größe M auf 2249 Gramm – inklusive Fox Nude-Dämpfer, allen Rahmenschonern und sämtlicher Hardware. Am Unterrohr ist der Rahmen mit einem Gummischutz gegen Aufsetzer und Steinschläge geschützt. Außerdem ist trotz der massiven Bauweise Platz für eine Di2-Batterie im Sitzrohr.
Kinematik
Beim Hinterbau des neuen Scott Genius wurde vor allem an der Leverage-Ratio, also dem Hebelverhältnis, gearbeitet. Sehr hohe Werte am Anfang des Federwegs sollen für ein gutes und sensibles Ansprechverhalten sorgen (langer Hebel = kleine Kraft). Im mittleren Federwegsbereich soll die Kinematik genug Gegenhalt bereitstellen. Dadurch soll das Rad hoch im Federweg stehen. Am Federwegsende soll aus der Kinematik viel Progression kommen. So soll das neue Genius insgesamt sensibel auf kleine Unebenheiten reagieren, hoch im Federweg stehen und im Ernstfall nicht durchschlagen. Der Anti-Squat sollte nicht besonders extrem ausfallen, um wenig Pedal-Kickback zu erhalten.
TwinLoc
TwinLoc kommt bei Scott nicht zum ersten Mal zum Einsatz. Dank des System lassen sich Dämpfer und Federgabel gleichzeitig vom Lenker aus sperren. Der entscheidende Unterschied zur Konkurrenz: Bei Scott kommt die „Plattform“ nicht ausschließlich aus der Dämpfung, sondern am Fox-Dämpfer auch aus der Feder. Bei ähnlichen Systemen werden im Normalfall Zug- und Druckstufe abgeriegelt, um das Fahrwerk für den Uphill oder leichtes Gelände zu sperren. Beim Fox Nude-Dämpfer am Scott Genius lassen sich hingegen zwei Positiv-Luftkammern über ein Ventil schließen. Im Downhill-Modus sind beide Kammern geöffnet, die Luftkammer ist also groß. Durch Umlegen des Hebels in den Traction-Modus wird die zweite Luftkammer gesperrt. Das Prinzip ähnelt dem Einbau von Volumenspacern: Die Luftkammer wird verkleinert, dadurch erhöht sich die Progression. Beim Scott wird die Luftkammer so stark verkleinert, dass der Dämpfer
höher im Federweg steht und insgesamt nur noch 110 mm Federweg zur Verfügung stellt. So hat man für Anstiege einige Geometrie-Veränderungen, die hier das Fahren erleichtern sollen. Für etwas mehr Pedalfreiheit wandert das Tretlager um 5 mm nach oben. Gleichzeitig verändern sich Lenk- und Sitzwinkel um jeweils +0,4°.
Laufradgrößen
Scott verzichtet in Zukunft auf die Plus-Bezeichnung bei 27,5“-Reifen ab 2,6“ Breite. Grund dafür sind die etwas irreführenden Bezeichnungen: Ein 2,5“ Maxxis Minion DHF fällt beispielsweise mit 62,5 mm Breite nur einen halben Millimeter schmaler aus als ein 2,8“ Rekon. Scott bezieht sich dabei auf Felgen mit 30 mm Innenweite, auf denen die optimale Reifenbreite zwischen 60 und 64 mm liegen soll. Auf allen Top- und Performance-Modellen des Scott Genius wird zukünftig auf „normal“ breite 27,5“-Reifen verzichtet, da im Hause Scott keine Zukunft mehr für diese Laufradgröße sieht.
Eines der Highlights am neuen Genius-Rahmen ist der einfache Wechsel zwischen beiden Laufradgrößen. Dafür sind lediglich ein Umbau der Flip Chips und andere Laufräder nötig. Auf den Austausch von Federgabel, Steuersatz oder ähnlichem wollte man bewusst verzichten, um es für den Fahrer so simpel wie möglich zu machen. Unter dieser Variabilität soll auch die Reifenfreiheit nicht leiden: Bis zu 65 mm Freiheit hat man bei 27,5-Laufrädern – hier passt also ein 2,8″ Maxxis Minion. Bei 29″ ist etwas weniger Platz. Mit welcher Laufradgröße kommt das neue Scott Genius aber? Drei Modelle kommen ausschließlich mit 27,5“-Laufrädern. Bei vier weiteren Modellen des Scott Genius hat man beim Händler die Wahl zwischen 27,5“ und 29“.
Geometrie
Viele Experimente mit verschiedensten Bikes diverser Mitbewerbern und aus dem eigenen Hause haben zur Geometrie des neuen Scott Genius geführt. Dabei geht man für ein Trailbike mit 150 mm Federweg durchaus einen interessanten Weg. Der Lenkwinkel fällt mit 65,6° (High) / 65° (Low) recht flach aus, während ein 75,3° steiler Sitzwinkel für eine angenehme Sitzposition sorgen soll. Unser Testbike in Größe XL hat einen Reach von stattlichen 505 mm und fällt damit ein gutes Stück länger als ein Großteil der Konkurrenz aus. Bei den Kettenstreben wollte man nicht zu kurz gehen, um ein ausbalanciertes Fahrverhalten zu erzielen. Herausgekommen sind dabei 436 mm in der High-Einstellung. Die Low-Einstellung verkürzt den Reach um etwa 5 mm, die Kettenstreben wachsen um 2 mm und Sitz- und Lenkwinkel werden 0,6° flacher.
Größe | S | M | L | XL | ||||
Einstellung | High | Low | High | Low | High | Low | High | Low |
Lenkwinkel | 65,6° | 65° | 65,6° | 65° | 65,6° | 65° | 65,6° | 65° |
Reach | 412 mm | 406 mm | 445 mm | 439 mm | 472 mm | 466 mm | 505 mm | 499 mm |
Stack | 595,5 mm | 600 mm | 595,5 mm | 600 mm | 609 mm | 614 mm | 623 mm | 627,5 mm |
Steuerrohrlänge | 95 mm | 95 mm | 95 mm | 95 mm | 110 mm | 110 mm | 125 mm | 125 mm |
Oberrohrlänge | 568 mm | 570 mm | 601 mm | 603 mm | 632 mm | 633 mm | 668 mm | 670 mm |
Sitzwinkel | 75,3° | 74,7° | 75,3° | 74,7° | 75,3° | 74,7° | 75,3° | 74,7° |
Sitzrohrlänge | 410 mm | 410 mm | 440 mm | 440 mm | 480 mm | 480 mm | 520 mm | 520 mm |
Kettenstrebenlänge | 436 mm | 438 mm | 436 mm | 438 mm | 436 mm | 438 mm | 436 mm | 438 mm |
Radstand | 1.164,6 mm | 1.165,9 mm | 1.197,6 mm | 1.198,9 mm | 1.230,8 mm | 1.232,1 mm | 1.270,0 mm | 1.271,3 mm |
Tretlagerabsenkung | 20 mm | 27,4 mm | 20 mm | 27,5 mm | 20 mm | 27,6 mm | 20 mm | 27,8 mm |
Ausstattung
Am getesteten Modell kommt eine edle Ausstattung zum Einsatz: Die von uns bereits getestete Fox 36 Float EVOL an der Front soll mit dem Fox Nude-Dämpfer am Heck harmonieren. Die ideale Übersetzung wird von einer SRAM Eagle-Schaltgruppe mit 32T-Kettenblatt bereitgestellt. An der Tuned-Version des Scott Genius kommen anders als am Ultimate Modell Laufräder aus Aluminium zum Einsatz. Maxxis Rekon-Bereifung soll dem Einsatzbereich entsprechend optimal sein: Genug Grip und ein geringer Rollwiderstand.
Ganz neu und ungewohnt ist allerdings der Blick aufs Cockpit. Mit TwinLoc-System und Remote-Sattelstütze sind viele Kabel am Lenker, aber das fällt im ersten Moment garnicht auf. Vielmehr zieht ein neues Teil die Blicke auf sich: Das Syncros Hixon iC. Das Kürzel iC steht für integrated Cockpit: Hier sind Lenker und Vorbau zu einer Einheit verschmolzen. Grund dafür ist die Einsparung von Gewicht. Konventionelle Systeme bringen zwar breite Klemmungen mit sich, aber der Winkel zwischen Lenker und Vorbau beträgt 90°. Dieser ungünstige Winkel erfordert mehr Material für eine ausreichende Stabilität. Beim Hixon iC sind die Übergänge optimiert: Weniger Lagen Carbon sind nötig, das Gewicht sinkt. Serienmäßig ist ein Cockpit mit 50 mm “virtueller Reichweite” verbaut. Die Griffposition entspricht also einer Syncros Lenker-Vorbau-Kombination mit 50 mm-Vorbau. Das System kommt auf 290 g bei einer Lenkerbreite von 760 mm.
Ausstattungsvarianten | Genius 700 Ultimate | Genius 700 / 900 Tuned | Genius 710 | Genius 720 / 920 | Genius 730 / 930 | Genius 740 / 940 | Genius 750 |
Rahmen | Genius Carbon mit besonders leichten Fasern | Genius Carbon | Genius Carbon | Genius Carbon | Genius Alu | Genius Alu | Genius Alu |
Gabel | Fox 34 Float FIT4 Kashima | Fox 36 Float FIT4 Kashima | Fox 34 Float Performance Elite | Fox 34 Float Performance | Fox 34 Float Performance | Fox 34 Float Performance | Rock Shox Recon RL |
Dämpfer | Fox Nude Evol Kashima mit Twinloc System | Fox Nude Evol Kashima mit Twinloc System | Fox Nude Evol mit Twinloc System | Fox Nude Evol mit Twinloc System | Fox Nude Evol mit Twinloc System | Fox Float Evol Performance | X Fusion Nude mit Twinloc System |
Bremse | Sram Guide Ultimate 180 / 180 Centerline | Sram Guide RSC 180 / 180 | Shimano XT M8000 180 / 180 | Shimano SLX M7000 180 / 180 | Shimano SLX M7000 180 / 180 | Shimano MT500 180 / 180 | Shimano M396 180 / 180 |
Kurbel | Sram Eagle XX1 32t | Sram Eagle X01 32t | Shimano XT M8000 24-34t | Sram Eagle X1 32t | Shimano XT M8000 24-34t | Sram Eagle X1 1000 32t | Shimano MT500 26-36t |
Schalthebel | Sram Eagle XX1 | Sram Eagle X01 | Shimano XT M8000 | Sram Eagle GX | Shimano XT M8000 | Sram Eagle GX | Shimano Deore M6000 |
Schaltwerk | Sram Eagle XX1 | Sram Eagle X01 | Shimano XT M8000 | Sram Eagle GX | Shimano XT M8000 | Sram Eagle GX | Shimano Deore M6000 |
Umwerfer | - | - | Shimano XT M8020 | - | Shimano XT M8020 | - | Shimano Deore M6000 |
Kassette | Sram Eagle XX1 10-50 | Sram Eagle X01 10-50 | Shimano XT M8000 11-42 | Sram Eagle GX 10-50 | Shimano SLX M7000 11-42 | Sram Eagle GX 10-50 | Shimano CSHG50 11-36 |
Laufräder | DT Swiss XMC 1200 | DT M1825 Spline | Syncros TR2.0 CL | Syncros TR2.5 CL | Syncros TR2.5 CL | Syncros X-30S | Syncros X-30S |
Reifen | Maxxis Rekon EXO TR MaxxTerra / MaxxSpeed 2,8" x 27,5" | Maxxis Rekon EXO TR MaxxTerra / MaxxSpeed 2,8" x 27,5" Schwalbe Nobby Nic 2.6" x 29" EVO Snakeskin Addix Speedgrip | Maxxis Rekon EXO TR MaxxTerra / MaxxSpeed 2,8" x 27,5" | Maxxis Rekon EXO TR MaxxTerra / MaxxSpeed 2,8" x 27,5" Schwalbe Nobby Nic 2.6" x 29" EVO Snakeskin Addix Speedgrip | Maxxis Rekon EXO TR MaxxTerra / MaxxSpeed 2,8" x 27,5" Schwalbe Nobby Nic 2.6" x 29" EVO Snakeskin Addix Speedgrip | Maxxis Rekon 2,8" x 27,5" Schwalbe Nobby Nic 2.6" x 29" Performance Addix | Maxxis Rekon 2,8" x 27,5" |
Sattelstütze | Fox Transfer Kashima S: 100 mm, M: 125 mm, L&XL: 150 mm | Fox Transfer Kashima S: 100 mm, M: 125 mm, L&XL: 150 mm | Fox Transfer S: 100 mm, M: 125 mm, L&XL: 150 mm | Fox Transfer S: 100 mm, M: 125 mm, L&XL: 150 mm | Fox Transfer S: 100 mm, M: 125 mm, L&XL: 150 mm | Syncros Dropper 2.0 | Syncros Dropper 2.0 |
Sattel | Syncros FL1.0 SL | Syncros XM1.5 | Syncros XM1.5 | Syncros XM2 | Syncros XM2 | Syncros XM2 | Syncros XM2.5 |
Vorbau | - | - | Syncros FL1.5 | Syncros FL1.5 | Syncros FL1.5 | Syncros FL2.0 | Syncros FL2.0 |
Lenker | Syncros Hixon iC SL 760 mm | Syncros Hixon iC SL 760 mm | Syncros FL1.5 760 mm | Syncros FL1.5 760 mm | Syncros FL1.5 760 mm | Syncros FL2.0 760 mm | Syncros FL2.0 760 mm |
Lockout System/strong> | Scott TwinLoc incl. Griffklemmung und Variostützen-Bedienung | Scott TwinLoc incl. Griffklemmung und Variostützen-Bedienung | Scott Twinloc incl. Griffklemmung | Scott TwinLoc incl. Griffklemmung und Variostützen-Bedienung | Scott Twinloc incl. Griffklemmung | Scott TwinLoc incl. Griffklemmung und Variostützen-Bedienung | Scott Twinloc |
In der Hand
Als ich das Rad zum ersten Mal vom Bikestand hebe, fällt direkt das geringe Gewicht auf. Mit Deity TMAC-Pedalen (Nachgewogene 438 g) bleibt die Waage bei unserem Test-Genius in der 27,5″ Version bei 12,88 kg stehen – und das bei Größe XL. Stark! Ein praktisches Detail ist auch das Mini-Schutzblech an der Gabel. Serienmäßig ist es an den Ultimate- und den Tuned-Modellen montiert.
Auffällig ist neben der Lackierung der von uns getesteten Tuned 700 / 900 Version auch das schöne Finish. Am Unterrohr findet eine Trinkflasche Platz. Die Komponenten-Auswahl wirkt stimmig. Der Syncros Hixon iC Lenker bringt etwas Ruhe in das ansonsten etwas überladen wirkende Cockpit. In Zeiten der einfach Antriebe hat man sich an aufgeräumte Lenkzentralen gewöhnt. Das TwinLoc Remote-System bringt zwei zusätzliche Kabel an den Lenker.
Auf dem Trail
Wir sind das neue Scott Genius anfangs in der 27,5“-Version gefahren und haben beide Geometrie-Einstellungen ausprobiert. Am Tag darauf wurde auf 29“ gewechselt. Mit 85 psi in der Gabel und 180 psi im Dämpfer wurden beide Laufradgrößen bei gleicher Federhärte und etwa 15 % Sag gefahren. Lediglich die Zugstufe wurde beim Wechsel der Laufradgrößen angepasst.
Uphill
Wir starten nach einer Shuttlefahrt über etwa 900 hm in einen kurzen Uphill – nicht der einzige des Tages. Auffällig unauffällig ist die Sitzposition: Diese fällt sehr angenehm aus. Man sitzt weder zu sportlich-gestreckt noch zu aufrecht auf dem Genius. Beim Luftdruck der breiten Reifen sind wir zunächst auf der sicheren Seite: 1,2 bar am Vorderrad und 1,35 bar am Heck beim 2,8″ Rekon bzw. 1,4 vorne und 1,55 hinten am 2,6″ Rekon. Das Genius klettert leichtfüßig und im Lock Modus sehr effizient. Bei voll durchgedrücktem Hebel sind Gabel und Dämpfer auf Block und es geht wippfrei voran. Auf Asphalt ist das sehr angenehm. Als es auf einem Feldweg bzw. Singletrails weitergeht ist der mittlere Traction-Modus die beste Wahl. Dabei spielen auch die Reifen eine wichtige Rolle. Selbst auf staubig-rutschigen Steinen ist die Auflagefläche groß genug, um den Reifen nicht durchdrehen zu lassen. Im Wiegetritt wippt das Rad nicht unangenehm und setzt die Kraft gut in Vortrieb um. Wird es steil, steigt die Front etwas. Hier ist man gezwungen, auf dem Sattel nach vorne zu rutschen. Das ist vor allem in technischen Sektionen unpraktisch, wo das Bike durch sein geringes Gewicht eigentlich im Vorteil wäre. Wer mit dem tiefen Tretlager zurechtkommt, kann hier auf den Low-Modus wechseln, um die Kettenstreben zu verlängern.
Downhill
Unser Trail neigt sich gen Tal und ordentlich Tiefenmeter Singletrail stehen bevor. Bevor ich die Abfahrt beginne will ich den Sattel absenken. Dabei betätige ich aber den Dämpfer-Lockout. Der TwinLoc-Hebel und der Hebel für die Vario-Stütze liegen sehr nahe beieinander. Die Verwechslung der Hebel sollte nicht die Einzige bleiben: Wer im Fahrbetrieb anstatt der Absenkung den Dämpfer sperrt, kann sich durchaus in stressige Situationen bringen. Nach etwa 50 m komme ich bereits zum nächsten Stopp: Mein angepeilter Luftdruck ist auf den knochentrockenenen Böden komplett daneben und ich rutsche über beide Räder. Nach dem Anpassen des Luftdrucks geht es weiter in die nächsten Kurven. Der Grip ist eine ganze Ecke besser, die rutschigen, teils sehr engen Kurven verlangen jedoch eine präzise Linienwahl. Hier kann das Scott Genius seine Lebendigkeit ausspielen. Um die Kurven hoch anzufahren ist es stellenweise nötig, das Rad kurz vor der Kurve auf die Böschung zu ziehen, damit man in einem besseren Winkel in die Kehre fahren kann. Durch das geringe Gewicht gelingen solche Aktionen schnell und unanstrengend. Auch bei anderen Manövern wie Bunnyhops oder Hinterrad-Kunststücken hilft das geringe Gewicht.
Der hohe Spaßfaktor verleitet dazu, die Bremsen offen zu lassen. Hier ist mit den Reifen allerdings Vorsicht angesagt: An der Front fehlt etwas die Führung, am Heck die Bremstraktion. Auf unbekannten Trails verzeiht das kaum Fehler. So fühlt sich das Rad zunächst etwas unsicher an. Etwas mehr Zeit auf dem Bike und der Wechsel auf die flache Geometrie-Einstellung helfen hier. Der flachere Lenkwinkel bringt etwas mehr Laufruhe ins Rad. So gelingen auch ruppigere Sektionen schneller und fehlerfrei. Die Balance ist im tiefen Modus besser, das Scott Genius wird berechenbarer.
Bevor es am zweiten Tag auf den ersten Trail geht, wird auf 29″ gewechselt. Wir kürzen die Runde vom Vortag ab und starten direkt in den unteren Teil des Trails. Spitzkehren wechseln sich mit schnellen Stücken ab. Der Grip mit den 29″-Laufrädern ist ein gutes Stück besser und man kann die engen, rutschigen Kurven schneller und sicherer fahren. Generell fühlt sich das Rad eine Spur sicherer an. Ruppige Stücke überrollen die großen Räder leichter und geben weniger Schläge an den Fahrer weiter. Die Geschwindigkeiten steigen, die Bremspunkte wandern näher an die Kurven. Mit 29″-Laufrädern verliert das Scott Genius trotzdem nicht an Lebendigkeit – im Gegenteil: die schnelleren Geschwindigkeiten verlangen nach flinkeren Kurvenwechseln. Hier hilft auch das Fahrwerk: Es steht hoch im Federweg und bietet sehr guten Gegenhalt, die Federung lässt sich vor Kurven gut aufladen. Dadurch steigt der Anpressdruck am Reifen, dieser bietet dann viel Grip für schnelle Richtungswechsel. Auch ansonsten macht das Fahrwerk einen guten Job, die Federwegs-Ausnutzung auf moderaten Trails liegt bei etwa 80 %. Selbst ein Drop ins Flache bringt die Federelemente nicht ans Ende des Hubs: Während Dämpfer und Gabel immer noch etwa 10 % Reserven bieten, meldet sich der Hinterreifen und gibt zu erkennen, dass sein Limit erreicht ist.
Tuning-Möglichkeiten
Scott hat mit der Reifenwahl am Genius versucht, den breiten Einsatzbereich des Trailbikes möglichst perfekt abzudecken: Dieses Rad ist nicht fürs Rennen fahren gemacht, sondern für den Alltagseinsatz – die Anforderungen sind also vielfältig. Vor allem im Alltag, wo man auch mal nicht 100 % bei der Sache ist oder die Bedingungen variieren, ist ein Reifen, der etwas mehr Sicherheit gibt keine schlechte Wahl. Wer nicht konstant auf harten Böden unterwegs ist, kann zumindest am Vorderrad von einem griffigeren Reifen profitieren und beim geringen Rollwiderstand am Heck bleiben. Auf losen Böden ist ein Reifen mit mehr Bremstraktion nicht verkehrt. Durchgängig durch alle Größen sind 180 mm-Bremsscheiben montiert. Gerade die tendenziell schwereren Fahrer auf L und XL-Rahmen könnten sich hier an der Front etwas mehr wünschen.
Haltbarkeit
Im Testzeitraum konnten keine Mängel oder Verschleisserscheinungen festgestellt werden.
Fazit – Scott Genius
In welche Kategorie lässt sich das Scott Genius stecken? Der neueste Wurf von Scott ist ein echtes Trailbike. Fahrwerk und Geometrie passen gut zum angepeilten Einsatzbereich. Der flache Lenkwinkel und der lange Radstand bringen Laufruhe und Sicherheit ins Rad. Das Fahrwerk steht hoch im Federweg und bietet so stets Reserven. Dank des geringen Gewichts ist das Genius lebendig, der Spaßfaktor ist hoch. Scott hat mit dem Genius einen super Allrounder im Programm.
Stärken
- Agilität
- Gewicht
- Fahrwerk
Schwächen
- Reifen
- viele Hebel am Lenker sorgen für Verwirrung
Testablauf
Wir sind das neue Scott Genius im Aostatal in Italien vorab gefahren. Scott hat uns zum Bike vor den Testfahrten keine Details verraten. Alle Testeindrücke wurden vor der eigentlichen Produktpräsentation “erfahren”.
Hier haben wir das Scott Genius getestet
- Aostatal: Steil, schnell, Loser Boden
Testerprofile
Christoph Spath
- Testername: Christoph Spath
- Körpergröße: 190 cm
- Gewicht: 65 kg
- Gewicht (fahrfertig): 70 kg
- Schrittlänge: 94 cm
- Armlänge: 60 cm
- Oberkörperlänge: 49 cm
- Fahrstil: Schnell bergauf und bergab, sauber, selten überm Limit
- Ich fahre hauptsächlich: Von Dirt Jump über Trail und Enduro bis Downhill, gerne schnell, in grobem Gelände und mit viel Luftstand
- Vorlieben beim Fahrwerk: Viel Low Speed-Compression am Dämpfer, Front etwas straffer als das Heck, hinten gerne progressiv
- Vorlieben bei der Geometrie: Vorne lang, hinten je nach Einsatzbereich kurz bis mittellang, flach
Weitere Informationen
Webseite: www.scott-sports.com
Text & Redaktion: Christoph Spath | MTB-News.de 2017
Bilder: Markus Greber, Keno Derleyn