“Meine Knie zittern, vor meinen Augen liegt ein leichter Schleier. Vorne ist längst keiner mehr, hinter mir kommt grad Felix zum Stehen. Seit einer halben Stunde geht es berghoch, 1100 Höhenmeter haben wir schon weg. Nach langer Zeit ist es mal wieder soweit: Trotz Mittagessen gehe ich grad komplett ein und brauche 5 Minuten Pause. Und einen Riegel.” Monumental geht es bei der Rückkehr auf die Insel Kos zur Sache – hier ist das Insel-Logbuch Nummer 3.
„Das Gute am Inselhüpfen? Am Ende des Biketages geht es immer bergab.“
(Catharina Flämig)
Früh am Morgen holen wir den Anker ein und legen ab, am Wetter hat sich wenig verändert. Es ist diesig und ich bin von gestern irgendwie ganz schön fertig, ich bin es nicht mehr gewohnt, lange Touren mit schwerem Fotorucksack und einem nicht gerade leichtgewichtigen Rad zu fahren. Grauwolkig tuckert die BB2 wieder Richtung Kos, wo wir diesmal von einer anderen Seite starten und am Schluss wieder am bereits bekannten Hafen in Kos-Stadt anlegen wollen. 1200 Höhenmeter bei rund 40 Kilometern klingen nach zwei bereits durchaus knackigen Tagen etwas alarmierend, aber andererseits freue ich mich auf viele mögliche neue Fotos – wenn denn bitte noch die Sonne rauskommt.
Da am gleichen Anlandeplatz auch noch die Fähre direkt nach uns Halt machen muss, machen wir uns pünktlich zu der Zeit von Bord, die ein Süßigkeitenhersteller als perfekten Moment für seine bröselige Schokowaffel bewirbt und wühlen uns durch sandig-wellige Uphills irgendwie grob Richtung Gebirge. Es weht ein zugiger Wind und kalter Schweiß lässt uns etwas an unserer Klamottenwahl (aktueller Status: irgendwas zwischen nass und kalt) zweifeln.
Gute Laune kommt auf, als die Sonne doch mal kurz durch das Wolkenmeer blinzelt und wir am Brunnen in der Stadtmitte unsere bis dahin vorsorglich nur gering gefüllten Trinkblasen vollmachen. Eine Banane und ein Riegel sind Pflicht – denn von den 1200 Höhenmetern haben wir bis jetzt gerade mal 100 weggekurbelt. Dann geht es ans Eingemachte. Wir kurbeln in der Gruppe steil hinauf bis zu einem winziges Bergdörfchen, wo erneut Felix, Roger und ich in den Explorer-Modus schalten und richtig gute Trails finden.
Damit wir auch endlich mal ein bisschen was tun und ausnahmsweise ein bisschen Downhill-Erfahrung sammeln, geht es im Anschluss über einen enorm anspruchsvollen bis teilweise unfahrbaren Trail bis fast ganz hinunter. Der mittlere und untere Teil ist allerdings fahrbar und steinig-flowig, spuckt uns allerdings vor einem geschlossenen Maschendrahttor wieder aus. Eine nette, griechische Dame auf der anderen Seite, wir tippen mal auf eine Anwohnerin, erkennt unsere Not und zeigt uns, wie das Tor zu öffnen ist – vielen Dank, endlich können wir wieder bergauf fahren. Fast hatten wir es vermisst!
Die zwar nur 30 Meter lange, aber giftigste Rampe der gesamten Woche wird bezwungen und entlässt uns in das zu dieser Jahreszeit sehr beschauliche Bergdorf Zia, wo wir einen Happen zu Mittag essen. Schön ist es hier. Und langweilig wird es auch nicht: 45 Minuten lang geht es im Anschluss ans Essen in gefühlt 100 Serpentinen stetig bergan, die mir dann dämlicherweise doch noch den Zahn ziehen, ich bin platt. Meine Knie sind nach dem Mittagessen (“Calamari alleine mache keine Power”, altes griechisches Sprichwort) wackelig und Felix und ich legen eine Foto- und Riegelpause ein, die unsere Akkus wieder auflädt.
Es geht weiter hinauf bis zum windigen Gipfel, der eine wahnsinnige Aussicht auf Kos bietet. Nach einem längeren Ritt auf dem Bergrücken führen uns unsere Guides zu einem Trail, der das Highlight des Tages wird: Schnell, flowig, sonnendurchflutet. Es riecht nach Eukalyptus. Ich weiß nicht, wann ich zuletzt in so einem Flowmodus war – die Flowstimme in mir übertönt den hysterisch kreischenden Fotografen in meinem Kopf, ich ballere voller Euphorie den Trail hinab und vergesse in dem Moment alles um mich herum. Nachdem einen Kilometer später so wirklich gar kein anderer Fahrer mehr vorbeikommt, frage ich mich, ob meine Fotojungs vielleicht weiter oben an vielversprechenden Stellen warten? Dann müsste ich ja eigentlich umdrehen. Ich liege richtig und schiebe wieder hinauf. Einen Shot mit Sonne bekommen wir gerade noch hin, danach zieht es zu – mein eigenes Pech, aber der Ritt war es wert. Zusammen geht es dann erneut den Trail hinab und auch der zweite Abschnitt ist Zucker, wir sind begeistert. Im oberen Teil von Kos-Stadt spüren wir wieder Asphalt unter den Reifen und rollen entspannt zum Boot, was praktisch direkt im Anschluss ablegt, denn wir sind dieses Mal (ausnahmsweise) die letzten an Bord.
Wie auf Kommando reißt der Himmel kurz nach Abfahrt am Horizont auf und der Tag verabschiedet sich mit einem blendend schönen Sonneruntergang, der die schmerzenden Oberschenkel vergessen macht. Auf Nisyros legen wir an und beenden den Tag mit der bewährten Kombination: Mythos-Bier und Ouzo mit Eis. Jamas, ihr Nasen!
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Alle Teile des Insel-Logbuch gibt es hier: