Bontrager Line Pro 30 TLR Laufräder im Test: Ein Produkt, so haltbar wie keine Felge auf dem hauseigenen Prüfstand zuvor? Ein starkes Statement, mit dem Bontrager letztes Jahr seine Laufräder vorgestellt hat. Basis der Line Pro 30 TLR sind die neuen Felgen mit breitem Felgenhorn – wir haben sie ein Jahr lang gegen Kanten klatschen lassen und überprüft, wie viel die Räder wirklich aushalten.
Bontrager Line Pro 30 TLR – Infos und Preise
Bontrager baut nicht erst seit gestern Laufräder, mit der neuesten Generation will der Hersteller aber einen gewaltigen Schritt nach vorne gemacht haben. Haltbarkeit ist das zentrale Thema – generell, wenn es um Carbon-Felgen geht – aber auch mit Blick auf den Reifen. Bontrager will mit besonders breiten Felgenhörnern bei einer Maulweite von 29 mm ein Laufrad geschaffen haben, das doppelt so viel aushält wie die Evolutionsstufe davor. Außerdem sollen Plattfüße der Vergangenheit angehören.
Die neue Felge wird mit Bontragers Rapid Drive Naben mit 108 Einrastpunkten ausgerüstet, ab Werk gibt es den SRAM XD-Freilauf. Optional gibt es Shimano-HG- oder -Micro-Spline-Freiläufe zum Nachrüsten. Mit 27,5″ und 29″ deckt der Hersteller zwei Laufradgrößen ab, dafür gibt es die Räder nur mit Boost-Einbaumaßen. 28 Speichen vorne und hinten verbinden die Straightpull-Naben mit der Felge.
Nicht weniger als ein leichtes Laufrad für jeden Trail will man damit geschaffen haben. Im Bontrager-Portfolio gibt es aber noch leichtere Laufräder – der Line Pro 30 TLR richtet sich also vor allem an Trail- bis Enduro-Biker und liegt mit einem nachgewogenen Gewicht von 1.877 g nicht ganz auf der leichten Seite.
- Laufradgröße 27,5″, 29″
- Einbaumaße 15 x 110 mm, 12 x 148 mm Boost
- Material Carbon
- Maulweite Felge 29 mm
- Freilauf SRAM XD, Shimano HG, Shimano Micro Spline
- Gewicht 810 g (VR), 950 g (HR), 1.760 g (Herstellerangabe), 1.877 g (nachgewogen)
- Farben Schwarz
- www.trekbikes.com
Preis: 1.299,98 € (UVP) | Bikemarkt: Bontrager Line Pro kaufen
Im Detail
Unter 30 mm Maulweite – an einem Laufrad, das 2020 vorgestellt wurde? Kaum vorstellbar, hat doch der Massenmarkt die breiten 30 mm Felgen lieben gelernt. Auch wenn es nur ein Millimeter weniger ist – als Fans von 25 mm Felgen gibt es von uns dafür mit Augenzwinkern einen Daumen nach oben.
Genug Religion, schauen wir uns die Bontrager Line Pro mal genauer an: Vor allem der Blick aufs Felgenprofil ist spannend, denn er offenbart gleich eines der Hauptfeatures und zeigt, wie deutlich sich die neue Felge von der alten unterscheidet. Flacher, mit wesentlich dickeren Felgenhörnern gerüstet, sehr breit. Konkret: 38 mm Außenbreite, 29 mm Maulweite und 27 mm Felgenhöhe.
Rund ausgeformt sollen es die breiten Felgenhörner damit auf 4,64 mm Breite bringen, die sich dem Untergrund in den Weg stellen. Damit soll die Felge laut Bontrager markenübergreifend die stabilste sein, die jemals auf den hauseigenen Prüfständen getestet wurde. Aber nicht nur soll das Felgenhorn besonders schlagresistent gegen den Untergrund sein, gleichzeitig soll es die Seitenwand des Reifens nahe dem Wulst schützen. Auch andere Hersteller verfolgen diesen Ansatz seit einer Weile, wir haben damit bereits gute Erfahrungen gemacht.
Und wenn doch mal was passiert? Bontrager wirbt mit lebenslanger Garantie – die gilt aber nur für Material- und Fertigungsfehler. Das Crash-Replacement-Angebot gilt für die ersten zwei Jahre nach Kauf. Im Falle eines Defekts repariert oder ersetzt Bontrager das Laufrad kostenlos. Nach Ablauf der zwei Jahre kostet der Austausch der Line Pro 30 in etwa so viel wie ein guter Aluminium-Laufradsatz.
Wie sieht der Rest vom Laufrad aus? 28 doppelt konifizierte Straightpull-Speichen werden durch selbst sichernde Nippel mit der Felge verbunden. Auf der anderen Seite sitzt jeweils eine hauseigene Bontrager-Nabe. Besonderheit am Heck: Die feine Verzahnung von 108 Zähnen und der damit verbundene, extrem kleine Einrastwinkel. Verfügbar sind die Räder aktuell mit den gängigen Freilaufkörpern: Ob HG für ältere Antriebe, Micro Spline für die aktuelle Shimano 12-fach-Riege oder XD für SRAM und andere Hersteller, die auf das SRAM-System setzen. Gegenüber gibt es die klassische 6-loch-Aufnahme für maximale Kompatibilität.
Auf dem Trail
Auf dem Papier gibt es leichtere Laufräder und auch günstigere – klar – aber für einen Satz Carbon-Laufräder pegelt sich das Produkt von Treks Hausmarke in einem preislich akzeptablen Rahmen ein. Mit der Maulweite von knapp unter 30 mm und der Kombination der Räder mit Trail- bis Enduro-Reifen formen sich sämtliche Reifen schön aus. Aber noch etwas teilen sie: Jeder einzelne Reifen, den wir auf die Line-Felgen montiert haben, hat die Unterarme zum Anschwellen gebracht. Stramme Toleranz oder einfach nur ein sehr hohes Felgenhorn? Auf jeden Fall sitzt der Reifen. Und zwar so, dass er sämtlichen fahrerischen Maßnahmen zur unplanmäßigen Reifenentfernung solide trotzt.
Die Demontage lief etwas entspannter und bereits gefahrene Reifen ließen sich einfacher aufziehen, wenn auch nicht extrem leicht. Weitere positive Eigenschaft: Sitzt der Reifen mal im Felgenbett, dichtet er schon einwandfrei ab. Tubeless-Booster oder Ähnliches sind nicht notwendig, auch bei möglichen Defekten am Trail sollten also keine Kopfschmerzen auftreten. Kategorie „Sorglos“ bei der Tubeless-Montage – erster Punkt.
Mögliche Defekte am Trail? Diverse MTB-Reifen mit unterschiedlich starken Karkassen von Trail bis Enduro wollten wir im Test von Felgenhorn und Steinen zermalmen. Auch die leichteren Pendants haben bei – je nach individueller Vorliebe – relativ geringen Luftdrücken und hörbaren Durchschlägen solide mitgemacht. Bontragers Angabe zur Reifenhaltbarkeit konnte in unserem Einsatz also bestehen. Ob der Carbon-Laufradsatz als Komplettsystem die stabilste Option auf dem Markt ist? Diese Frage lässt sich nicht beantworten. Aber auch nicht widerlegen, denn auch das Felgenhorn ist bis jetzt rundum intakt. Ob mit vollem Tempo in armdicke Wurzeln oder spitzes Gestein gehalten, bisher zeigen sich die Felgen vollkommen unbeeindruckt von dem, was wir ihnen vorgesetzt haben.
Thema Steifigkeit: In diesem Bereich sind Bontragers Laufräder bei uns zuletzt nicht gut weggekommen. Im Trek Fuel EX 2020 Test und dem Trek Fuel EX 2019 Test waren jeweils die Vorgänger der hier getesteten Laufräder montiert. Als sehr steifes Komplettpaket haben sie den Fahrkomfort deutlich geschwächt. Wie gehen die neuen Bontrager Line Pro 30 TLR dieses Thema an? Für eine Carbon-Felge mit Hohlkammer ist der Laufradsatz überraschend gutmütig. Übermäßig starkes Deflektieren war auch in steiferen Rahmen nicht festzustellen. Der Grip verabschiedet sich deutlich berechenbarer dann, wenn man es darauf anlegt und den Reifen schön auf die Schulterstollen zwingt. Wo der Vorgänger schon Armpump heraufbeschworen hat, greift man mit den neuen Laufrädern noch deutlich entspannter an den Lenker. Dabei leidet auch die Präzision nicht – Linien mit Messer zwischen den Zähnen auf Biegen und Brechen treffen – all das gelingt mit dem tollen Schnitt aus Präzision und Traktion ausgezeichnet.
Das ist uns aufgefallen
- Preis Keine große Überraschung. Carbon-Laufräder sind teuer. 1.300 € sind viel Geld; geht man in den Vergleich mit Newmen, Zipp & Co., sind 1.300 € aber ein vernünftiger Preis. Während viele Hersteller lebenslang die Felge austauschen, ist das bei Bontrager auf 2 Jahre limitiert. Ob einem diese „Zusatzversicherung“ aber teils deutliche Mehrpreise wert sind?
- Gewicht Mit 117 g mehr Gewicht als vom Hersteller angegeben, stellt sich die Frage – wo kommt das her? Bei nahezu gleich viel Mehrgewicht gegenüber der Herstellerangabe vermuten wir: Bontrager gibt das Gewicht ohne Felgenband und Tubelessventile an. Damit platzieren sich die Laufräder mit fast 1,9 kg nicht im besonders leichten Feld und konkurrieren mit guten Alu-Laufradsätzen, die etwa die Hälfte kosten.
- Garantiebestimmungen „No questions asked“ – gibt es nur die ersten beiden Jahre. Treten hier beim Fahren Defekte auf, wird das Laufrad kostenlos ersetzt oder repariert. Danach gibt es zwar noch die lebenslange Garantie auf Material- und Fertigungsfehler, bei einem selbst verschuldeten Defekt muss man aber einen nicht geringen Obolus für die Reparatur oder den Laufradtausch aufbringen.
- Reifenmontage Schon lang hatten wir keine Laufräder mehr, die sich so beständig gegen Reifen gewehrt haben. Fabrikate diverser Hersteller, die sich problemlos auf andere Felgen aufziehen ließen, haben auf dem Line Pro 30 TLR echte Krafteinsätze abverlangt. Vorsicht mit dem Reifenheber: während das Felgenhorn bei Plastik-Reifenhebern keine Probleme macht, muss man sehr vorsichtig sein, um das Felgenband nicht zu beschädigen.
Fazit – Bontrager Line Pro 30 TLR
Bontrager hat sich mit den neuen Line Pro 30 TLR wieder in unsere Herzen gespielt und bewiesen, dass man mit Carbon nicht nur bocksteife Teile bauen kann. Für einen Carbon-Laufradsatz ist der Line Pro überraschend angenehm zu fahren. Das Laufrad lässt etwas Flex zu und kann dadurch ein hohes Maß an Berechenbarkeit beim Seitenhalt der Reifen beisteuern. Gleichzeitig bieten die Räder viel Präzision, um auch bei hohem Tempo noch zuverlässig Linien zentimetergenau zu treffen. Bislang haben wir im Hinblick auf die Haltbarkeit keine Probleme. Wer bereit ist so viel Geld für einen Laufradsatz auf den Tisch zu legen, ist mit den Bontrager Line Pro 30 TLR sehr gut beraten.
- Dickes Felgenhorn schont Reifen-Seitenwand
- Sehr strammer, sicherer Reifensitz
- guter Kompromiss aus Nachgiebig und Präzise
- Teuer
- Nicht besonders leicht
Wenn Carbon-Laufräder für euch infrage kommen – wären die Bontrager Line Pro 30 TLR in eurer engeren Auswahl?
Testablauf
Bontrager hat uns die Laufräder kostenlos für den Test zur Verfügung gestellt. Wir sind sie in verschiedenen Rädern und mit unterschiedlichen Reifen gefahren. Die Laufräder wurden von diversen Testfahrern unterschiedlicher Gewichtsklassen ausprobiert und über die Trails gejagt. Neben dem längeren Eindruck wurden auch Back-to-back-Testabfahrten am selben Tag und auf derselben Strecke mit uns bekannten Laufrädern gemacht.
Hier haben wir Bontrager Line Pro 30 TLR getestet
- Nauders/Reschenpass: 3-Länder-Enduro-Trails. Ruppig und schnell!
- Singletrails BW: Verschiedenes Gelände, unterschiedliche Bedingungen von trocken bis extrem matschig.