Downhill – die Formel 1 des Radsports, die absolute Königsdisziplin des bergaborientierten Mountainbikens. Kein Format kann in wenigen Minuten so viel Aufregung, Spannung und Adrenalin erzeugen wie ein Downhill-Rennen. 2019 ist die Szene so gesund und die Flut an neuen Innovationen und High-End-Maschinen so groß wie lange nicht mehr – oder gar wie noch nie? Wir haben uns aufgemacht, etwas Licht ins Dunkel zu bringen und haben fünf der schnellsten World Cup-Downhill-Bikes des Planeten gegeneinander antreten lassen.
Der König ist tot, lang lebe der König! Das Aufkommen potenter und leichter Enduro-Bikes mag dem Absatz von Downhill-Boliden vielleicht eine kleine Delle zugefügt haben – doch nur die wenigsten Downhiller werden angeboten, um damit ernsthaft Geld zu verdienen. Stattdessen werden die teils futuristisch anmutenden High-End-Geschosse mit ihren brachialen Doppelbrücken-Gabeln, langen Stahlfederdämpfern und kompromisslosen Geometrien vor allem dazu genutzt, gemeinsam mit Stars wie Loïc Bruni oder Rachel Atherton Emotionen zu schüren und die Käufe in anderen MTB-Sparten anzukurbeln. Wer das wirklich möchte, kann sich die Arbeitsgeräte der Downhill-Stars aber nach wie vor ins Wohnzimmer stellen – etwas, das wir jedem Leser nur wärmstens ans Herz legen können.
Die Testkandidaten
Für die Bikes in unserem Test gab es nur eine Bedingung: Sie müssen möglichst race-ready sein! Fünf Firmen sind unserem Aufruf gefolgt und haben uns ihre besten Rennmaschinen zugeschickt. Dass im Jahr 2019 vier von fünf Boliden auf großen 29″-Laufrädern rollen, wundert dabei nicht – nur der deutsche Versand-Spezialist Canyon setzt am Sender weiterhin auf die kleinere 650b-Größe. Dafür kommt durch die Bank weg Carbon als Rahmenmaterial zum Einsatz, was sich definitiv auch im Gewicht niederschlägt: Alle fünf Bikes wiegen weniger als 16 kg und räubern damit schon fast im Enduro-Terrain. Für Downhill-Bikes typisch liegen die Federwege am Heck bei zirka 200 mm. Einige Kandidaten, wie beispielsweise das Santa Cruz V10, verfügen über ein paar Bonus-Millimeter. An der Front hingegen arbeiten Doppelbrücken-Federgabeln mit 200 mm Federweg – nur am Propain Rage 29 müssen ungewöhnliche 190 mm reichen.
Da preislich keine Vorgabe einzuhalten war, reicht die Preisliste von fast moderaten 4.799 € für das Canyon Sender bis hin zu satten 8.799 € für das Santa Cruz V10 oder gar 10.000 USD für das stark limitierte Intense M29 FRO. Dafür bieten alle Bikes allerdings auch eine High-End-Ausstattung, die kaum Wünsche oder Raum für Verbesserungen offen lässt. An den Fahrwerken kommen durchweg hochwertige Komponenten von Fox und RockShox zum Einsatz, den Antrieb stellt SRAM mit den GX DH- und X01 DH-Modellen. Die restlichen Komponenten unterscheiden sich je nach Bike recht deutlich: Während der eine Hersteller flächendeckend auf Carbon setzt, kommen beim nächsten Aluminium-Parts zum Einsatz.
Laufradgröße | Federweg vorne | Federweg hinten | Gewicht | Preis | |
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Santa Cruz V10 CC 29 X01 | 29" | 200 mm | 215 mm | 15,8 kg | 8.799 € |
Intense M29 FRO | 29" | 200 mm | 208 mm | 15,6 kg | 10.000 USD |
Propain Rage 29 | 29" | 190 mm | 200 mm | 15,2 kg | 4.955 € |
YT Tues CF Pro Race | 29" | 200 mm | 200 mm | 15,1 kg | 5.499 € |
Canyon Sender CF 9.0 | 27,5" | 200 mm | 200 mm | 15,4 kg | 4.799 € |
Was macht ein gutes Downhill-Bike aus?
Während wir uns bei unserem letzten Gruppentest, bei dem wir moderne Trailbikes verglichen haben, noch schwer damit auseinandersetzen mussten, was genau als Trailbike gilt und wie unterschiedlich man das Thema interpretieren kann, sieht die Sache im Downhill-Segment sehr, sehr simpel aus: Ein Downhill-Bike muss vor allem schnell den Berg hinunterfahren können. Die Uphill-Performance spielt absolut keine Rolle – ohne Lift oder Shuttle geht hier gar nichts. Das bedeutet allerdings nicht, dass es keine größeren Unterschiede zwischen den Rädern gibt. Die Laufradgröße ist spätestens seit dem Aufkommen von 29″ Rädern während der Saison 2017 ein riesiges Thema, das immer noch nicht ganz gelöst zu sein scheint. Während die „Wagon Wheels“ gerade zwar die Nase vorn haben und auch unser Testfeld dominieren, verrät ein kurzer Blick in die Downhill World Cup Boxengasse, dass dort bereits fleißig mit sogenannten Mullet-Bikes, also einem Mix aus 29″ Vorderrad und 27,5″ Hinterrad, experimentiert wird.
Die Geometrie ist im restlichen Mountainbike-Sektor zwar der Streit- und Innovationspunkt der letzten Jahre gewesen, die sonst so kompromisslosen Downhill-Bikes geben sich hier allerdings erstaunlich konservativ. Die Oberrohre sind etwas länger und die Lenkwinkel etwas flacher geworden – der Abstand zu einigen sehr aggressiven Super-Enduros ist aber nicht mehr riesig. Kein Wunder, dass immer wieder Stimmen aufkommen, die den Tod dieser hochspezialisierten Mountainbike-Klasse beschwören. Da können wir nur empfehlen, mal wieder einen Downhill-Boliden in entsprechendem Terrain zu bewegen. Die Geschwindigkeiten und Kräfte, die hier erzeugt werden, stellen alles andere in den Schatten. Dementsprechend ist auch die Haltbarkeit ein wichtiger Punkt: Dank moderner Fahrwerke, spezialisierter Antriebe, Tubeless-Reifen und breiter Felgen haben sich die Service-Intervalle in den letzten Jahren zwar deutlich verlängert. Das Verhältnis von spaßigen Fahrstunden zu nervigen Werkstattstunden ist im Vergleich zu anderen Bike-Klassen allerdings immer noch kein sehr positives.
Sehr positiv hingegen hat sich das Gewicht entwickelt. Vorbei sind die Zeiten, in denen man sein 18 kg-Eisenschwein nur mit Mühe in den Lift hieven konnte. Moderne Carbon-Rennmaschinen kratzen teilweise an der 15 kg-Marke – das wirft allerdings schon wieder die Frage auf, ob so viel Leichtbau nicht zu viel des Guten ist: Mehr Masse sorgt oft für ein satteres Aufliegen und hilft dem Fahrwerk, Unebenheiten wegzubügeln, kostet dafür allerdings Kraft im Antritt und bei schnellen Fahrmanövern. Insgesamt bleibt die Gewichtsfrage wohl Geschmacksache – wir können allerdings schonmal festhalten, dass es immer leichter ist, mehr Masse anzubringen als welche wegzunehmen.
Auf den Punkt gebracht verbleiben folgende Eigenschaften:
- Laufruhe Moderne Downhill-Strecken werden immer schneller und ausgebauter. Mit den steigenden Geschwindigkeiten braucht es auch immer laufruhigere Bikes, die genug Sicherheit vermitteln, um das Beste aus sich und der Strecke herauszuholen. Allerdings sollte man nicht vergessen, dass enge und technische Passagen noch nicht ganz abgeschafft wurden. Es gilt also nach wie vor, einen guten Kompromiss aus Wendigkeit und Laufruhe zu finden.
- Fahrspaß Downhill-Bikes sind zwar vor allem Rennmaschinen und wir können jedem nur empfehlen, sich einmal bei einem Downhill-Rennen anzumelden, doch die meisten Betriebsstunden werden vermutlich im Bikepark absolviert. Kann man mit 29″ Laufrädern und aggressiven Geometrien noch Spaß haben? Wir haben es getestet!
- Haltbarkeit Ferdinand Porsche gab einst an, dass das ideale Rennauto direkt hinter der Ziellinie in seine Einzelteile zerfällt. Leider ist Downhill-Fahren kein ganz günstiges Hobby, weshalb wir durchaus Wert darauf gelegt haben, dass Rahmen und Komponenten unseren Test einigermaßen unbeschadet überstehen.
- Preis-Leistung Der Kauf eines Downhillers lässt sich selten mit rationalen Gründen erklären. Entweder man will es oder man will es nicht – wirklich brauchen tun das wohl nur Profis. Trotzdem ist es natürlich schön, wenn das Traumbike gleichzeitig auch noch die Geldbörse schont. Letzten Endes hat für uns jedoch vor allem die Leistung gezählt.
Wie haben wir getestet?
Für unseren Downhill-Vergleichstest sind wir unsere Testkandidaten mit insgesamt vier sehr unterschiedlichen Testern auf vier rennerprobten Downhill-Strecken gefahren. Während Arne Koop vor allem auf dem Enduro-Bike oder im Bikepark zuhause ist, konnte Gregor Sinn bereits einige Erfahrungen im iXS GDC und EDC sammeln. Mit Kevin Dewinski und Markus Hillmann hatten wir außerdem zwei sehr erfahrene und schnelle Rennfahrer vor Ort, die überprüfen konnten, wie sich die Boliden im Grenzbereich verhalten. Der Großteil des Tests fand auf der aus dem iXS European Downhill Cup bekannten „Struggle“-Strecke im Bikepark Spicak statt.
Diese bietet einen sonst schwer zu findenden Mix aus extrem technischen, engen und verblockten Passagen sowie schnellen Vollgas-Stücken mit dem ein oder anderen größeren Huck oder Gap. Hier hatte jeder Fahrer auf mehreren Fahrten die Gelegenheit, jedes Bike in verschiedenen Fahrsituationen auf die Probe zu stellen. Da wir die Hersteller um ein weitestgehend rennbereites Rad gebeten haben, haben wir versucht, möglichst keine Parts auszutauschen. Allerdings wurden selbstverständlich individuelle Anpassungen wie Federhärte, Luftdruck, die Anzahl der Tokens, Dämpfungseinstellungen oder in einigen Fällen die Cockpithöhe und -breite vorgenommen.
Außerdem sind wir einzelne Kandidaten noch auf der extrem schnellen und ausgefahrenen Rennstrecke im Bikepark Klinovec gefahren. Bikes, die in den teils extrem engen Kurven Spicaks noch ihre Probleme hatten, hatten hier die Chance, wieder einige Bonuspunkte zu sammeln. Denn in Bozi Dar zählt vor allem die Laufruhe. Wie sich die Bikes hingegen bei langsameren Geschwindigkeiten im typisch deutschen Fichtenslalom schlagen, konnten wir auf der ebenfalls aus dem iXS Downhill Cup bekannten und legendären Strecke in Ilmenau sowie im MTBZone Bikepark am Geißkopf überprüfen. Letzterer bietet einen gelungenen Mix aus engen und teils ruppigen Passagen sowie flowigen Sprüngen.
Wir werden von nun an im Abstand von einer Woche einen einzelnen Testartikel zu jedem unserer Testbikes veröffentlichen. Am Ende folgt eine Zusammenfassung des Tests, bei der unser Testsieger gekürt wird.
Welches der fünf Bikes im Feld ist euer Favorit auf den Testsieg?
Hier findest du alle weiteren Artikel unseres World Cup-Downhill-Bike-Vergleichstests:
Der Beitrag 5 World Cup Downhill-Bikes im Vergleichstest: Kompromisslos in die Abfahrt! erschien zuerst auf MTB-News.de.