Aus ‚Flow-Day‘ wurde ‚Rain-Day‘ – und das ganz offiziell von den Organisatoren des Perskindol Swiss Epics. Der erhöhte Start auf der Rinderhütte wurde gestrichen und anstatt den ersten Anstieg mit der Gondel zu absolvieren, mussten wir jetzt eben doch einige Höhenmeter zu Beginn der Etappe hochstrampeln. Uns machte die Streckenänderung und die damit verbundenen 200 Extrahöhenmeter im Vergleich zum ursprünglich geplanten Teilstück wenig aus – und coole, nasse Trails gab es heute zusätzlich auch noch!
Out of control in Richtung Ziel
Beginnen wir einmal mehr wieder am Morgen – früh am Morgen! Aufgrund der zu erwartenden starken Regenfälle am Nachmittag wurde der Start der dritten Etappe des Swiss Epics auf acht Uhr vorverlegt, sodass alle Fahrer zumindest ansatzweise die Chance hatten, halbwegs trocken ins Ziel zu kommen. So viel vorweg: dieser Plan ging leider nicht ganz auf.
So hieß es für uns einmal mehr um sechs Uhr zum Frühstück zu gehen, damit wir pünktlich um kurz vor acht in unserem Startblock uns einfinden konnten. Unsere Beine waren zwar müde, doch sie fühlten sich nicht so an als dass sie sofort ihren Dienst quittieren würden. Deshalb standen wir zuversichtlich am Start der 42 Kilometer langen Etappe auf der insgesamt 1700 Höhenmeter bewältigt werden mussten.
Als es endlich los ging, reihten wir uns auf den ersten Metern wieder relativ weit vorne im Fahrerfeld ein, da das Tempo im neutralisierten Startbereich nicht sonderlich hoch war. Doch schon rasch ging es in den ersten Berg auf dem die ersten Meter auf Asphalt zurückgelegt wurden. Gabi und ich fanden einen tollen Rhythmus und sahen nur noch im Augenwinkel wie vorne an der Spitze Jochen Käß und Daniel Geismayr schon auf dem ersten rennoffenen Kilometer zur Attacke bliesen.
Wir kurbelten und kurbelten und freuten uns ehrlich gesagt, dass wir zu diesem Zeitpunkt noch nicht im totalen Dauerregen unterwegs waren. Nach circa 600 Höhenmetern ging es dann in die erste Abfahrt, die uns wieder zurück in Richtung Leukerbad führte. Der Trail war zu unserer Verwunderung zumindest im Wald noch ziemlich trocken und so konnten wir zumindest an diesen Stellen die Bremse noch etwas vermehrt offen lassen. Über coole Steinabsätze, Spitzkehren und Wurzelpassagen kamen wir zurück in den Startort, den wir allerdings zu diesem Zeitpunkt nur als Durchgangsstation nutzten, da es noch weitere Tiefenmeter auf extrem schnellen und flowigen Trails weiter in Richtung Tal ging.
Doch wie schon so oft in dieser Woche wurde dieses Trailspektakel für unseren Geschmack zu früh beendet. Zunächst standen wenige Meter Aspahlt auf dem Programm, auf denen man sich ein letztes Mal gut erholen konnte, bevor es wieder nach oben ging. Und dieses Mal ging es weit nach oben: 1100 Höhenmeter am Stück warteten auf uns!
Gabi und ich gingen zwar zügig, aber bedacht in den Anstieg und fuhren von Beginn an unseren eigenen Rhythmus, was sich im Laufe des Uphills einmal mehr als goldwert heraus kristallisieren sollte. Auf den ersten Metern wurden wir sogar mit wenigen Sekunden – man höre und staune – Sonnenstrahlen bedacht, doch die Hoffnung nur halbwegs dreckig in Leukerbad ins Ziel einzufahren, löste sich nur wenige Sekunden später in Luft auf. Große Regenwolken zogen hinein ins Tal und brachten bikerunfreundliche Windböen mit sich, die uns sogar in den Bergauf-Passagen wirklich zu schaffen machten. Ich war zwar zügig unterwegs und keinesfalls über dem Limit, doch der zum Teil starke Gegenwind setzte mir dann doch immer wieder etwas zu.
Gabi, der von den vergangenen harten Tagen zwar frischer ist als ich, aber nun doch auch immer wieder Müdigkeitsgefühle bei ihm einsetzen, spannte sich vor mich und gab mir im Anstieg perfekten Windschatten. Und so kamen wir zügig dem höchsten Punkt des Tages auf über 2000 Meter immer näher.
Der inzwischen stark eingesetzte Regen machte uns in diesem Moment noch relativ wenig aus – der Wind war immer noch unser größter Feind. Doch auf den letzten Metern des Uphills, die in einem dicht bewachsenen Wald zurückgelegt wurden, kämpften wir plötzlich nicht mehr mit Wind und Wetter, sondern viel mehr mit dem steilen Trail auf dem wir uns befanden.
Die letzten Meter brachten wir schiebend hinauf zu einem kleinen Bauernhof aber noch gut hinter uns, bevor es hinab ging in Richtung Ziel. Kurz vor der Traileinfahrt konnten wir noch ein schweizer Team überholen, dass uns noch schnell hinterhergerufen hat: „Jungs passt auf, der Trails ist steil und verdammt rutschig!“
Wir wussten, dass es nur noch hinab ging und so knallte Gabi vor mir in den schmalen Pfad, der zwar auf den ersten Metern über eine Kuhweide ging und wir knöchelhoch im Matsch standen, doch schon schnell im Wald zu einem fast staubtrockenen Flowabenteuer wurde. Ich erinnerte mich kurz an die Worte der schweizer Mannschaft, die wir inzwischen hinter uns gelassen haben, und wunderte mich einen Bruchteil von Sekunden, weshalb der Trail denn bitteschön rutschig sein sollte?! Die Antwort bekam ich sofort!
Wir bogen links ab und plötzlich waren dort nur noch Wurzelfelder, Spitzkehren und lehmige ausgefahrenen Rinnen, auf denen der beste Downhillmantel auf Gripsuche gewesen wäre. Absteigen? – Zu spät! Ich befand mich schon im steilen Teil des Trails. Bremsen? – Keine gute Idee, da wäre der Abflug vorprogrammiert gewesen. Frei nach dem Motto: Wer bremst verliert! Im Augenwinkel sah ich wie Gabi harmlos auf die linke Seite fiel, weil es ihm einfach beide Räder gnadenlos unter den Füßen weggezogen hat. Ich schoss geradezu hinterher, quer über Wurzeln und Absätze. Kontrolliert konnte man das nicht mehr nennen! Verdammt schnell war es aber auf alle Fälle.
Es kam ein kurzes Flachstück auf dem Trail auf dem meine Reifen wieder etwas haltbaren Kontakt zum Boden herstellen konnten. Plötzlich hörte ich es hinter mir rauschen. Die Flowteilnehmer kamen angeflogen – und das im wahrsten Sinne des Wortes. Quer durch die Wälder Leukerbads flog mir irgendwie querfeldein der schweizer Skicross-Profi Alex Fiva entgegen, der gemeinsam mit René Wildhaber im Team unterwegs ist. Der ehemalige Weltcupgesamtsieger war aber wieder in Windeseile auf dem Bike und schoss der Bike-Koryphäe den matschigen Trail hinterher. Gabi und ich machten schnell und fair Platz und waren etwas erstaunt über das Tempo, das auf diesem Trail doch noch gefahren werden konnte – vor allem sah das sehr kontrolliert aus.
Wir kamen ohne große Vorkommnisse vollends unten an und waren einerseits froh, dass uns auf diesem Weg nichts passiert ist, wir defektfrei durchkamen und noch halbwegs zügig den Berg hinunter kamen – zumindest für unsere Verhältnisse war das schnell ;-). Andererseits hat der Trail einfach unglaublich viel Spaß gemacht, deshalb rasten wir mit einem weinenden und einem lachenden Auge in Richtung Finish-Area.
Im Ziel waren wir dann wieder einmal super zufrieden mit unserem Ergebnis. Wir konnten bis jetzt unsere beste Tagesplatzierung einfahren (Platz 12 overall und auch Platz 12 in der Kategorie Men) in einer Zeit von 2:37:18 Stunden.
Käß und Geismayr nicht zu stoppen
Wie schon eingangs unseres Berichts erwähnt, drehten Jochen Käß und Daniel Geismayr vom Team Centurion Vaude vom Start weg voll am Gashahn. Konny Looser und Oliver Zurbrügg (BiXS) konnten dem Duo noch kurz folgen, doch schon vor der ersten Abfahrt war die heutige Etappe zu Gunsten des deutsch-österreichischen Duos entschieden. Die Beiden kamen sicher die Abfahrten hinab und holten sich in lediglich 2:09:42 Stunden den Tagessieg, fast fünf Minuten vor dem schweizer Duo. Auf Rang drei folgte das Team Texpa-Simplon um Christoph Soukup und Michael Stünzi.
Bei den Damen ging der Sieg heute in 2:53:39 Stunden an Ariane Lüthi und Alice Pirard (Spur-Wallonie), die sich im letzten Downhill noch an Esther Süss und Jennie Stenerhag (Meerdendal CBC) vorbeischieben konnten.
Morgen wartet auf uns Biker noch einmal ein richtig harter Brocken. Über 85 Kilometer und 2800 Höhenmeter mit insgesamt zwei langen Anstiegen über circa 30 bzw. 17 Kilometer führt die Strecke von Leukerbad nach Zermatt.
Wir hoffen ihr lest auch morgen wieder unseren Live-Blog vom Perskindol Swiss Epic, und wünschen euch bis dahin alles Gute!
Viele Grüße aus dem verregneten Leukerbad,
Gabi und Tobi
Alle Ergebnisse findet ihr hier.
Weitere Infos zum Perskindol Swiss Epic findet ihr hier.
Alle Artikel zu unserem Live-Blog beim Perskindol Swiss Epic:
- Perskindol Swiss Epic 2017: Trailspektakel zum Matterhorn
- Perskindol Swiss Epic Live-Blog: Matterhorn und Co. wir kommen!
- Perskindol Swiss Epic #Prolog: 1150 Tiefenmeter auf Trails – Willkommen im Wallis!
- Perskindol Swiss Epic #1: Brennende Beine auf der Königsetappe
- Perskindol Swiss Epic #2: Ab über die 200 Meter hohe Hängebrücke von Niouc!
- Perskindol Swiss Epic #3: Wer bremst verliert!