Der Ischgl Ironbike zählt mitunter zu den anspruchsvollsten Mountainbike-Marathonrennen in den Alpen. Nicht die Distanz von 79 Kilometern, sondern eher die 3800 Höhenmeter, die sich den Profis und Amateuren in den Weg stellen machen den Ironbike zu einer ziemlich anstrengenden Angelegenheit. Wie anstrengend das sein kann, durfte unser Redakteur und XC-Racer Gabriel Sindlinger bei der 23. Auflage des Alpenklassikers selbst erleben. Hier ist sein Rennbericht!
Mein Wochenendtrip nach Ischgl begann bereits am Freitag mit der Anreise in den beschaulichen österreichischen Skiort. Doch bevor es am Samstagmorgen auf die 79 Kilometer lange Strecke ging, stand am Vorabend für mich noch der Eliminator-Showevent an. Der Ischgl Palio Sprint ist inzwischen fester Bestandteil des Ironbike-Festivals und bietet für die Profis ein erstes Schaulaufen am Tag vor dem Marathon und für alle Zuschauer packende Kopf-an-Kopf-Rennen.
Die Strecke führte über gut eine 600 Meter lange Runde, die je zweimal bzw. im Finale dreimal zu befahren war, direkt am Festivalgelände nahe der Silvrettabahn. Durch einen kurzen aber durchaus anstrengenden Anstieg gab es stets spannende Positionskämpfe zu beobachten. Nachdem ich mich noch in der Qualifikation als Drittschnellster weit vorne im Feld platzieren konnte, war dann im Halbfinale Schluss für mich. Gegen absolute Topsprinter wie den amtierenden Weltmeister Daniel Federspiel konnte ich dann einfach nicht mehr mithalten.
Umso spannender verlief dann das Finale der besten Vier. Mit dem „Jungbullen“ Martin Frey, dem Weltmeister Federspiel, dem Cyclocross- und Marathon-Ass Sascha Weber und dem deutschen Top-Sprinter Vitus Wagenbauer versammelte sich ein elitärer Kreis an der Startlinie. Erwartungsgemäß deutlich konnte dann aber der Weltmeister den Sieg davontragen, vor Sascha Weber und Martin Frey. Mit etwas müden Beinen hieß es dann: voller Fokus auf die anstehende, herausfordernde Aufgabe am nächsten Morgen!
Los geht’s! Der Ironbike Marathon beginnt
Punkt 8:30 Uhr fiel dann am Sonntag der Startschuss für das Highlight des Ironbike Festivals, der Marathon über 79 Kilometer auf der Langdistanz und zugleich 48 Kilometer der Mitteldistanz. Neben den beiden anspruchsvollen Routen gab es noch eine Einsteigerrunde über 27 Kilometer, die aber extra 1:30 Stunden nach dem Start der beiden großen Distanzen losging. Wie inzwischen bei einigen Marathonevents üblich konnte man sich noch während des Rennes zwischen der langen oder kürzeren Alternative entscheiden. Mit dem Wissen, das Lizenzfahrer auf der kurzen Distanz außer Konkurrenz gewertet wurden, ging ich das Rennen mit der Zielsetzung an, die 79 Kilometer und 3800 Höhenmeter so gut wie möglich zu überstehen.
Das Rennen führte zunächst nur leicht ansteigend in den Nachbarort Mathon, ehe mit einem gut fünf Kilometer langen und 400 Höhenmeter umfassenden Anstieg die erste Zersplitterung des Feldes anstand. Der Ischgl Ironbike ist aufgrund des hohen Preisgeldes bei den internationalen Marathon-Profis sehr beliebt und so staunte ich nicht schlecht über die Masse an Top-Athleten im Lizenzstartblock um mich herum. Der Größe meiner noch bevorstehenden Aufgabe bewusst, hielt ich mich im ersten Anstieg etwas zurück und fand mit dem Hinterrad des Sprintweltmeisters Daniel Federspiel ein ideales Anfangstempo.
Nach einer rasanten Abfahrt und einem weiteren kürzeren Anstieg von etwas mehr als 300 Höhenmetern ging es erstmals auf einem kurzen, aber durchaus anspruchsvollen Trail und dann später auf einem Radweg wieder zurück nach Ischgl. Nach einer Stunde und knapp fünf Minuten hinter der Spitze rollte ich wieder am Ziel vorbei, doch von nun an begann das Rennen von Neuem. 1500 Höhenmeter am Stück im direkt folgenden Anstieg und weitere 1300 Höhenmeter im zweiten Anstieg standen mir von da an noch bevor.
Nun also zunächst der erste harte Brocken. Von Ischgl aus über die Mittelstation der Silvrettabahn zur Idalp auf 2300 Höhenmeter und anschließend weitere 600 Höhenmeter über das Idjoch zur Greitspitze. Doch allen Befürchtungen zum Trotz fand ich schnell einen guten Rhythmus und konnte zunächst den Abstand zu den Fahrern vor mir konstant halten und, je länger der Anstieg dauerte, stetig Platz um Platz gut machen.
Angenehmes Klettern und Flowtrails zur Belohnung
Bis zur Bergstation Idalp der Silvrettabahn sorgte der asphaltierte Untergrund trotz dauerhaft zweistelliger Steigungsprozente für ein fast angenehmes Klettern. Zudem stieg mit dem ein oder anderen Blick in die Tiefe und dem Bewusstsein darüber, doch einiges schon hinter sich gebracht zu haben, die Motivation um einiges. Auch der etwas zähe Schotteruntergrund unmittelbar nach der Idalp änderte daran wenig. Als dann die Streckentrennung zwischen Lang- und Mitteldistanz anstand, bogen viele Fahrer ab auf den wirklich fantastischen Velilltrail, um bereits nach 48 Kilometern in Ischgl die Ziellinie zu überqueren. Für alle anderen inklusive mir stellten sich zunächst mit dem Anstieg auf das Idjoch und anschließend weiteren 200 Höhenmetern zur Greitspitze richtig steile Hindernisse in den Weg.
Erst als ich inmitten des Anstieges steckte, wurde mir bewusst, wie steil und unangenehm die letzten Höhenmeter auf den ersten großen Gipfel des Tages sein würden. Zumal der extrem lose Schotter und die zunehmend dünner werdende Luft ihr Übriges dazu beitrugen. Nach Überqueren der Passhöhe des Idjochs freute ich mich bereits auf die anstehende Abfahrt, doch die weiteren 200 Höhenmeter mit unfassbar steilen Zwischenrampen sorgten für etwas Ernüchterung meinerseits. Doch anscheinend war ich nicht der einzige, dem diese Steigungen zusetzten. Durch meine Erfahrungen im Cross-Country-Bereich gelang es mir, gerade in den Steilstücken einige weitere Plätze gut zu machen.
Und dann war er geschafft, der erste Gradmesser des Tages. Mein Gemütszustand änderte sich von einem auf den anderen Moment. Denn nicht nur die fabelhafte Aussicht auf über 2800 Meter konnte ich für wenige Augenblicke genießen, vielmehr zauberte ein fabelhafter Trail ein breites Grinsen in mein Gesicht. Sehr flowig, aber durchaus anspruchsvoll schlängelte sich der Trail zunächst auf dem Bergkamm zur schweiz-österreichischen Grenze entlang, ehe es nach einem kurzen Gegenanstieg in die Schweiz und dort stets leicht abfallend in Richtung Alp Trida weiterging.
Nach einigen Kilometern auf alpinen Terrain folgte eine Flowtrail-Passage mit vielen Anliegern und kleinen Sprüngen. Dieser führte fast komplett ins Tal bis nach Laret, einem Vorort von der zollfreien Gemeinde Samnaun. Die wirklich sehr gelungene und sehr spaßige Abfahrt endete aber abrupt. Denn von dort aus, galt es ganze 1300 Höhenmeter wieder hinauf nach Österreich zu klettern. Und wäre das nicht schon genug gewesen, sorgten die sehr warmen Temperaturen von bis zu 30°C dafür, dass dem bisherigen Spaß ein Ende bereitet wurde.
Nachdem ich dummerweise die Verpflegungszone in Samnaun links liegen ließ, ging es in den sehr steilen Schlussanstieg des Tages. Schon auf den ersten Metern spürte ich, dass nun meine Beine nicht mehr den Antrieb des Anstiegs davor hatten. Nur mit sehr viel Willenskraft gelang es mir an den vielen steilen Rampen des Schotteranstieges auf dem Rad zu bleiben. Und während ich zwei weitere Fahrer überholen konnte, die aufgrund von Krämpfen zum Schieben gezwungen waren, wurde mir bewusst, dass ich durchaus gut im Rennen lag.
Und der Kreislauf fährt Achterbahn
Doch mit zunehmender Höhe verspürte ich weniger Interesse an meiner Platzierung, sondern vielmehr den Wunsch, diesen harten Brocken hinter mich zu bringen. Als ich dann an einer unfahrbaren Rampe vom Rad musste, fuhr mein Kreislauf für wenige Sekunden Achterbahn. Ich musste einige Sekunden innehalten, ehe ich in der Lage war, mein Rad den Berg hochzuhieven.
Als dann wenige Meter später ein Streckenposten versichern konnte, dass es nur noch wenige Meter zum Gipfel seien, kam in mir ein letzter Motivationsfunken auf. Die wenigen Metern erwiesen sich logischerweise viel weiter als gedacht, doch mit eisernen Willen stand ich dann einige Minuten später auf dem gut 2800 Meter hohen Palinkopf. Wirklich nette Helfer der Verpflegungsstelle versorgten mich dann mit dem wirklich notwendigen Getränk, sodass ich mich völlig erleichtert ins Tal nach Ischgl stürzte.
Eine etwas unspektakuläre Abfahrt auf Schotter und teilweise sogar auf Asphalt führte mich wieder zurück ins Tal. Nachdem ich mir noch auf dem Weg zum Gipfel absolut keine Gedanken zur Position im Feld machen konnte, begann ich nun zu grübeln, auf welchem Platz ich denn ankommen werden würde. Der Blick auf die Uhr und etwas mehr als vier Stunden Fahrzeit verhießen ein gutes Resultat, doch als ich im Ziel auf die Leinwand mit den Ergebnissen schaute, staunte ich nicht schlecht. Platz 15 im gesamten Feld und lediglich 40 Minuten Rückstand auf den Sieger Kristian Hynek überraschten mich doch sehr!
Zudem wurde mir bewusst: Selbst für die absoluten Profis bedeuten diese Steigungen genauso viele Qualen wie für jeden einzelnen Amateur und Hobbyfahrer. Wer also an diesem Tag den Zielstrich überquerte, durfte sich getrost als „Ironbiker“ bezeichnen. Einige Stunden später saß ich dann mit einem Gutschein, welcher im Starterpaket enhalten war, in einem der unzählig vielen zur Auswahl stehenden Restaurants und ließ den Tag Revue passieren. Dabei stelle ich fest, dass ich einen unglaublich tollen und erlebnisreichen Biketag in den tiroler Alpen mit super Trails und tollen Aussichten genießen durfte. Wenn da nur nicht diese Quälerei wäre…
Das waren die Schnellsten
Der Tagessieger der Herren, Kristian Hynek, startete bereits am ersten langen Anstieg zur Greitspitze seine Solofahrt. Von da an fuhr der Tscheche vom Topeak-Ergon-Racing-Team ungefährdet dem prestigeträchtigen Sieg entgegen. Nach 3:45:06 Stunden überquerte er den Zielstrich. Dahinter positionierte sich frühzeitig der Italiener Samule Porro, der den zweiten Platz auch nicht mehr hergab und ganz 4:06 Minuten später im Ziel eintraf. Dritter wurde der deutsche Meister Markus Kaufmann mit bereits 7:06 Minuten Rückstand. Bei den Damen siegte die deutsche Meisterin Silke Ulrich, die zeitweise im langen Anstieg zur Greitspitze stets in meiner Nähe war. Sie brauchte letztendlich 4:33:25 Stunden.
Zum Ironbike-Festival
Das Ironbike-Festival umfasste neben dem Palio-Sprint am Freitag und dem Ironbike-Marathon über die Kurz-, Mittel- Langdistanz am Sonntag außerdem noch einen Familientag am Sonntag mit Kinderrennen und einer Familientour, die in diesem Jahr regelrecht ins Wasser fielen. Zudem ist die Alpenhaustrophy, ein Bergzeitfahren zur Idalp auf derselben Strecke wie beim Marathon fester Bestandteil des Events. Am Donnerstag Abend konnte sich in diesem Jahr der Österreicher Christoph Soukup durchsetzen. Parallel zu diesem Event galt es bei der E-Bike-Fuchsjagd für den Bronzemedaillengewinner der Weltmeisterschaften Daniel Geismayr sich auf derselben Strecke E-Bikes zu erwehren. Die 13 Minuten Vorsprung des gejagten „Fuchses“ reichten aber nicht, um vor den motorisierten Verfolgern auf der Idalp anzukommen.
Video-Rückblick des Ischgl Ironbike-Festivals 2017
Mehr Infos zum Event: www.ischgl.com