Eine der großen Überraschungen der laufenden Weltcup-Saison ist mit Sicherheit der Australier Jack Moir. Der Intense Factory Racing-Pilot scheint spätestens nach seinem überragenden zweiten Platz beim Weltcup in Fort William in der Weltspitze angekommen zu sein. Unterwegs ist der Australier, der bei einer Hai-Attacke fast sein Bein verloren hätte, aktuell auf einem der spannendsten Bikes im Weltcup-Zirkus. Wir haben uns sein Arbeitsgerät, das Intense P2 29, genauer angeschaut!
Die Wahrscheinlichkeit, in seinem Leben von einem Hai attackiert zu werden, liegt angeblich bei 1:3.700.000 – oder 0,000027 %. Das ist zwar wahrscheinlicher als 6 richtige plus Zusatzzahl im deutschen Lotto (0,00000071511 %), aber trotzdem äußerst unrealistisch. Vor 10 Jahren, als Jack Moir gerade zarte 13 Jahre alt war, wurde er trotzdem von einem der furchteinflößenden Meeresräuber attackiert. Der Australier surft für sein Leben gern und ist praktisch jeden Tag auf den Wellen. Selbst die Hai-Attacke und die anschließende medizinische Versorgung der Wunde – sein Bein musste mit über 600 (!) Stichen genäht werden – konnte Shark Attack Jack nicht von seinem größten Hobby abhalten: Noch bevor er wieder laufen konnte war er auf den Wellen unterwegs.
Jack Moir ist jedoch nicht nur ein leidenschaftlicher Surfer, sondern fährt extrem gut Fahrrad – so gut, dass er in dieser Saison regelmäßig in die Top 10 im Downhill-Weltcup fährt und in Fort William fast den ersten Weltcup-Sieg seiner Karriere eingefahren hätte. Nach sehr viel Verletzungspech in den vergangenen Jahren scheint der Australier nun angekommen zu sein in der Weltspitze. Einen Teil dazu trägt vermutlich auch das Arbeitsgerät von Jack Moir bei: Seit besagtem Rennen in Fort William ist der Intense Factory Racing-Pilot auf einem extrem interessanten 29er-Prototypen mit dem ominösen Namen P2 29 unterwegs. Wir haben uns sein Arbeitsgerät näher angeschaut: Hier ist das Intense P2 29 von Jack Moir im Bike Check!
Arbeitsgerät: Intense P2 29 von Jack Moir
- Fahrer: Jack Moir (1,93 m / 80 kg)
- Rahmen: Intense P2 29, Prototyp, Aluminium
- Federweg: 180 mm / 200 mm
- Fahrwerk: RockShox Boxxer Team / RockShox Super Deluxe Coil
- Laufräder: Enve M90 / 29″ / Carbon
- Reifen: Maxxis Minion DHF (28 psi vorne / 30 psi hinten) / Tubeless-Aufbau / Flat Tire Defender
- Lenker: Enve Minnaar Bar 2, 788 mm Breite, 28 mm Rise
- Bremsen: SRAM Code
- Schaltung: SRAM X01 DH
Rahmen und Geometrie
“Intense P2 29”: So nennt sich das aktuelle Arbeitsgerät von Jack Moir. Der Aluminium-Rahmen wurde von Intense-Firmengründer Jeff Steber höchstpersönlich zusammengeschweißt und ist die dritte Variante des Prototypen. Angefangen hat das ganze Projekt vor gut einem Jahr: Im Juli 2016 wurden die ersten beiden Prototypen (P0 und P1) im südkalifornischen Temecula zusammengeschweißt und getestet. Für Intense war schon länger klar, dass sie gerne mit 29ern im Downhill experimentieren wollen. Die ersten Abfahrten auf P0 und P1 haben Jack Moir und seine Teamkollegen dann im Januar diesen Jahres in Kalifornien gemacht. Bis alle Anbauteile in der Variante, die sich Intense Factory Racing vorgestellt hat, verfügbar waren, hat es anschließend noch einige Wochen gedauert – kurz vor dem zweiten Weltcup im schottischen Fort William waren dann das Intense P2 29 für Jack Moir und das P3 für seinen australischen Teamkollegen Dean Lucas fertig.
She’s strictly prototype at the moment!
„Ich hab kurz vor dem Ende unseres Team Camps in Kalifornien ein paar Abfahrten auf dem 29er gemacht – das Bike hat sich für mich damals im Januar schon sehr gut angefühlt. Sicher war ich mir aber ehrlich gesagt zunächst noch nicht“, erklärt Jack Moir. Ein wichtiges Argument für den Einsatz eines 29ers im Downhill-Weltcup waren dann jedoch die Top 10-Ergebnisse, die der 1,93 m große Australier bei den ersten beiden Runden der Enduro World Series auf dem Prototyp des langhubigen Intense Carbine 29 einfahren konnte.
Das Intense P2 29 von Jack Moir hat satte 200 mm Federweg. Nicht nur aufgrund der großen Laufräder und des Rahmens aus Aluminium unterscheidet sich sein Arbeitsgerät deutlich vom aktuellen Intense M16C. Nach wie vor kommen am P2 29 zwei Umlenkhebel zum Einsatz, die einen virtuellen Drehpunkt erzeugen. Anders als am M16C ist der Dämpfer jedoch deutlich tiefer im Rahmen platziert und weiter vorne. Die obere Umlenkwippe fällt ebenfalls deutlich kleiner aus und ist nun praktisch vollständig vom massiven Sitzrohr umschlossen.
Details zur Geometrie wollte das Team nicht verraten – das P2 29 sei in manchen Aspekten sehr ähnlich zum M16C, andere Winkel seien jedoch stark verändert worden. Identisch ist jedoch das vordere Rahmendreieck des P2, auf dem Jack Moir unterwegs ist, und des P3, das aktuell von seinem Landsmann Dean Lucas gefahren wird. Die Unterschiede sind am Hinterbau zu finden: „Hier experimentieren wir aktuell relativ viel – sowohl mit der Länge der Kettenstreben, als auch mit der Gewichtsverteilung“, erklärt Jacks Mechaniker Chappy Fiene, der als Projektmanager bei Intense selbst sehr stark in die Entwicklung der neuen Modelle involviert ist. „Man kann die Geometrie der 650b-Bikes nicht 1:1 auf die 29er übertragen. Vor allem nicht im Downhill. Die beiden Prototypen, die Jack und Dean aktuell fahren, sind komplett um die großen Laufräder konzipiert.“ Während andere Teams im Downhill-Weltcup den Ansatz gewählt haben, bestehende 650b-Modelle anhand diverser Modifikationen an die 29″-Laufräder anzupassen, hat man bei Intense einen anderen Weg gewählt und die Prototypen von Grund auf neu entwickelt.
Fahrwerk und Setup
Einer der spannendsten Aspekte am Intense P2 29 von Jack Moir ist das Fahrwerk. Während der RockShox Super Deluxe Coil-Dämpfer mehr oder weniger Standardware ist, waren 29″-spezifische Downhill-Federgabeln unabhängig vom Hersteller lange Zeit schlichtweg nicht verfügbar, geschweige denn regulär käuflich zu erwerben. Entsprechend wenige Details hat Intense Factory Racing über die RockShox Boxxer Team-Federgabel, die am aktuellen Bike von Jack Moir zum Einsatz kommt, rausgerückt. Der Federweg der Boxxer wurde auf 180 mm reduziert – eine typische Modifikation für die wenigen 29er-Federgabeln im Downhill. Während die Standrohr-Einheit einen Durchmesser von 35 mm hat und der regulären Boxxer entsprechen dürfte, finden sich am Casting einige Veränderungen im Vergleich zur Serienversion. So muss die Gabel natürlich genug Platz für die großen 29″-Laufräder bieten. Interessant ist auch die Boost 110-Beschriftung auf der Vorderradnabe …
Generell bevorzugt Jack Moir ein Coil-Fahrwerk: „Mir persönlich gefällt das Gefühl eines Coil-Fahrwerks einfach besser. Ich fahre insgesamt ein ziemlich straffes Fahrwerk. Wir werden aber mit Sicherheit in Zukunft auch einen Luftdämpfer am Heck testen.“ Eine nahezu komplett offene Druckstufe und 9 Klicks Zugstufe sind das Setup der Wahl an der RockShox Boxxer Team-Federgabel – dazu kommt eine sehr harte X-Firm-Feder von Race Only Springs. Diese Ausführung ist im Vergleich zur regulären Boxxer-Feder von RockShox im letzten Federwegsbereich deutlich progressiver und erfreut sich aktuell im Downhill-Weltcup großer Beliebtheit.
Am RockShox Super Deluxe Coil-Dämpfer, der die 200 mm Federweg am Heck des Intense P2 29 kontrolliert, kommt eine 450 lbs-Feder zum Einsatz. 5 Klicks Druckstufe und 6 Klicks Zugstufe sind die Einstellung am Arbeitsgerät des Australiers. Diesem Standard-Setup bleibt Jack Moir im Verlauf der Saison weitestgehend treu – wenn etwas am Dämpfer verändert wird, dann höchstens um wenige Klicks. Auffällig am RockShox Super Deluxe-Dämpfer ist außerdem der hornhautgoldene Bottom Out-Bumper. Hier experimentiert RockShox gerade gemeinsam mit einigen Teams etwas herum und verwendet einen im Vergleich zur Serienversion härteren Bumper. Dieser soll bei besonders harten Durchschlägen verhindern, dass der Dämpfer beschädigt wird – eine Maßnahme, die bei den aberwitzigen Geschwindigkeiten und der damit einhergehenden zerstörerischen Fahrweise durchaus plausibel klingt.
Laufräder und Reifen
Während der Rahmen am Arbeitsgerät von Jack Moir unübersehbar aus Aluminium besteht, setzt Intense Factory Racing bei den Laufrädern auf die leichte Carbon-Ausführung aus dem Hause Enve. Die 25 mm breiten M90-Felgen der Carbon-Spezialisten aus den USA in Kombination mit Chris King-Naben ergeben extrem edle und hochwertige Laufräder. Beim Aufbau der Laufräder musste Jacks Mechaniker Chappy jedoch viel rumexperimentieren, bis das Ergebnis zufriedenstellend war. „Wir haben das im Training in Fort William, als wir zum ersten Mal auf den 29ern unterwegs waren, auf die harte Art und Weise gelernt“, gibt er offen zu. Seitdem sind die Laufräder am Intense P2 29 zwei- statt dreifach gekreuzt eingespeicht. Auch die Speichenspannung wurde im Vergleich zu den 650b-Laufrädern deutlich reduziert. Hier gilt es, die perfekte Balance aus Haltbarkeit und ausreichendem Flex zu finden – zumal die großen 29″-Laufräder laut dem Team einen signifikant größeren Einfluss auf das Fahrverhalten der Bikes haben als die 650b-Laufräder.
Man kann die Geometrie der 650b-Bikes nicht 1:1 auf die 29er übertragen. Vor allem nicht im Downhill. Die beiden Prototypen sind komplett um die großen Laufräder konzipiert.
Was völlig unabhängig von der Laufradgröße an jedem Rad von Jack Moir identisch ist sind die Reifen: Bei nahezu allen Bedingungen schwört er auf den legendären Maxxis Minion DHF – sowohl vorne, als auch hinten. Der Australier fährt normalerweise 28 psi im Vorderreifen und 30 psi im Hinterreifen. Nur bei sehr schlammigen Bedingungen greift er zum Maxxis Shorty. Im Inneren der Minions kommt ein Tubeless-Setup zum Einsatz. Außerdem verbaut Jacks Mechaniker Chappy im Hinterrad ein spezielles Schutzsystem von Flat Tire Defender – die Tatsache sorgte beim Interview mit Jack und Chappy für Gelächter, denn bis dato wusste der Australier nicht, dass er dieses System im Hinterrad fährt. Zwar wiegt das Flat Tire Defender-System ungefähr so viel wie ein Downhill-Schlauch, dafür muss aber auch deutlich weniger Tubeless-Milch im Hinterreifen verwendet werden.
Komponentencheck
Angesprochen auf die Frage, welcher Aspekt an seinem Intense P2 29 für ihn persönlich am wichtigsten sei, antwortet Jack Moir nicht etwa mit dem Fahrwerk, dem Reifendruck oder der Geometrie. Stattdessen ist für den Australier die perfekte Lenkerhöhe von extrem großer Bedeutung. „Ich bin insgesamt nicht besonders penibel, aber die Lenkerhöhe ist für mich ziemlich wichtig. Ich bin eher groß und fahre meinen Lenker ein gutes Stück höher als die meisten anderen“, erklärt der Intense-Teamfahrer, der mit einer Größe von 1,93 m zu den größten Fahrern im Weltcup-Zirkus gehört. Neben Spacern unter der Gabelkrone kommt deshalb zusätzlich ein 10 mm dicker Spacer von ti-springs.com unter dem 50 mm langen Truvativ-Vorbau zum Einsatz. Auf besonders steilen Strecken wandern außerdem noch zusätzliche Spacer unter die Gabelkrone.
Beim Lenker setzt Jack Moir auf das Signature-Modell von Greg Minnaar, der mittlerweile einer seiner direkten Konkurrenten ist: Der Minnaar Bar 2 aus dem Hause Enve hat einen Rise von 28 mm und besteht aus Carbon. Ursprünglich ist der Lenker 808 mm breit – Jack Moir fährt jedoch eine auf 788 mm gekürzte Version. Ebenfalls eher ungewöhnlich ist die Position der Avid Code-Bremshebel: Diese stehen fast horizontal nach vorne und sind außerdem sehr nah am Lenker. Außerdem interessant ist die Tatsache, dass die Vorderradbremse deutlich früher greift als die Hinterradbremse – auch hiervon wusste Jack Moir bis zu unserem Interview nichts. „Für ihn fühlen sich die Bremsen auf der Strecke dadurch gleich an. Für mich als sein Mechaniker ist es jedoch sehr wichtig, dass Vorder- und Hinterradbremse immer exakt identisch eingestellt sind“, erklärt Chappy Fiene. Massive 220 mm-Bremsscheiben bringen das Intense P2 29 von Jack Moir zum Stehen. Die riesigen Rotoren seien laut Angabe des Teams gerade bei den großen 29″-Laufrädern von entscheidender Bedeutung.
Beim Antrieb setzen Jack Moir und seine Teamkollegen auf die bewährte SRAM X01 DH-Gruppe mit 7 Gängen. Das 36 Zähne große Kettenblatt ist von einer e*thirteen-Kettenführung geschützt. Außerdem ist der Hinterbau großzügig mit 3M Slapper Tape abgeklebt, um die Geräuschkulisse zu minimieren. Zusätzlich wurde die Befestigungsschraube des Schaltwerks ersetzt, damit das Intense P2 29 von Jack Moir besonders leise ist. Im Gegensatz zu manch anderen Australiern, die am liebsten auf Schienbein-vernichtenden Flat-Pedalen unterwegs sind, fährt Jack Moir jederzeit eingeklickt: Crankbrothers Mallet DH-Pedale sorgen für einen sicheren Stand. Eine Carbon-Sattelstütze von Enve und ein Sattel von Fabric runden den edlen Aufbau ab.
Zum Abschluss die alles entscheidende Frage: Wann geht der 29er-Downhiller von Intense in Serie? „She’s strictly prototype at the moment!“ – auch auf englisch eine eher unmissverständliche Aussage des Teams. Beobachtet man die Entwicklung im Hause Intense, dann wäre eine (Carbon-)Serienversion des 29er-Downhillers zumindest keine allzu große Überraschung. Bis dahin muss jedoch noch jede Menge getestet und perfektioniert werden. Die Ergebnisse, die Jack Moir bislang auf dem P2 29 eingefahren hat, zeigen, dass sein Prototyp ein richtiges Geschoss ist. Die Wahrscheinlichkeit, dass wir demnächst noch einige spannende Neuerungen aus dem Hause Intense sehen, dürfte jedenfalls deutlich größer als die Wahrscheinlichkeit einer Hai-Attacke sein.
Weitere Informationen
Webseite: www.intensecycles.com
Text & Redaktion: Moritz Zimmermann | MTB-News.de 2017
Bilder: Moritz Zimmermann
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