Nathalies Kurz-Zusammenfassung von Tag 2 des Singletrack 6 Etappenrennens: Wenn kurz vor dem Start der Song „Highway to Hell“ von AC/DC gespielt wird, dann weißt du was das Motto des Tages sein wird – Leiden bis zum geht nicht mehr!
Michi und ich haben zwar schon wieder fast das Gedrängel zum Einstehen in die Startboxen verschlafen, aber dieses Mal hat es trotzdem noch geklappt. Unsere Rennstrategie ist auch heute wieder dieselbe: Solide, aber nicht überziehen… sodass wir noch fit genug sind, es in den Abfahrten krachen zu lassen! Mit fast 33 Kilometern scheint die Etappe zwar kurz, aber verspricht mit 1.600 Höhenmetern auch knackig und steil zu werden.
Für extra Power werfen wir uns für die zweite Etappe in Lycra. Die Aerodynamik ist mir dabei Wurst, aber als alter Cross Country Hase, ist in meinem Hirn noch immer die Bahn gelegt: Lycra ist schnell! Zumindest am Berg!
Am Start kommen wir ziemlich gut weg und schlagen am ersten Berg ein gutes Tempo an. In der ersten Abfahrt bleiben wir jedoch hinter einem gar langsamen Fahrer stecken und verlieren gefühlt Minuten. In der großen Staubwolke, in der wir permanent fahren, sind Überholmanöver absolut unmöglich.
Gegen Ende der Abfahrt reißt mir dann endgültig der Geduldsfaden und ich riskiere ein dummes Überholmanöver, bei dem der Schuss natürlich nach hinten rausgeht. Ich stürze im Schneckentempo – und zwar so, dass ich mit dem Bike an den Beinen wie ein Käfer auf dem Rücken liegen bleibe. Ich fühle mich so dämlich, dass ich selber über mich lachen muss.
Von da an läuft aber der Schnellzug. Aufgrund einer Flow-Ekstase wechseln mein kleiner Bruder und ich während dem Rennen nur ungefähr sechs Wörter. Ich meistens vorne weg, er zwei Millimeter dahinter in einer riesigen Staubwolke. Die zahlreichen Überholmanöver in dieser Rennphase sind präzise kalkuliert wie ein Schweizer Uhrwerk. Das einzige das dabei total vergessen geht, ist die Nahrungsaufnahme. Auf Singletrails essen und trinken ist an sich schon schwierig genug. Aber bei 35 Grad verspürt mein Körper einfach kein Hungergefühl.
Kurz vor der zweiten Feedzone trifft mich dann fast der Hammer namens Hungerast. Zum Glück bin ich durch eine Abfahrt abgelenkt, die mir das Adrenalin in die Adern schießen lässt. Weil ich kurz vor der Abfahrt noch trinken will und keine Zeit mehr finde, den Schlauch meines Source Trinksystems wieder weg zu stecken, bewältige ich kurzerhand die gesamten 400 Tiefenmeter mit dem Schlauch im Mund.
Heute gilt die Zielabfahrt als Tageswertung für den schnellsten Trailflitzer. Michi und ich machen spontan ab, dass wir diese separat bewältigen und wir uns dann im Ziel treffen. Ich fahre also volle Pulle los, überhole noch fünf Leute bis ins Ziel und vergesse dabei, dass ich Michi am Hinterrad verloren habe. Im Ziel ist mir klar, dass etwas schiefgegangen sein muss. Ich bin zwar in den Abfahrten ein bisschen schneller, aber nicht so viel. Ich erlebe eine bange Minute des Wartens und sehe ihn dann über die Ziellinie rennen. Ihm hat es die Kette so doof verdreht, dass an pedalieren nicht mehr zu denken war. Phuuu, hatte ich einen Schock! Und auch etwas ein komisches Gefühl im Bauch, weil ich ihn alleine in der Abfahrt habe stehen lassen. Glück im Unglück aber, dass das Malheur unweit der Ziellinie passiert ist.
Das tollste an diesem Highway to Hell Tag war, dass wir ihn für uns entscheiden konnten. In unserem Flow hatten wir nicht bemerkt, dass wir die Führung übernommen haben. In der Gesamtwertung liegen wir noch immer auf Rang drei, aber der Kampf ums Treppchen läuft heiß. Die Abfahrtswertung der Ladies habe ich hingegen gut im Griff, da werde ich auch in den kommenden Tagen nichts anbrennen lassen.
Alle Artikel zum Singletrack6-Abenteuer von Nathalie:
- Nathalie beim Singletrack6 Etappen-Rennen: Tag 0 – Der Roadtrip vor dem Sturm
- Nathalie beim Singletrack6: Tag 1 – Nervenflattern im wilden Westen
- Nathalie beim Singletrack6: Tag 2 – Lycra ist schnell!
Über unsere Gast-Bloggerin
Nathalie Schneitter startete ihre internationale Mountainbike-Karriere im Jahr 2004 mit dem Gewinn des Cross-Country- Weltmeistertitels bei den Juniorinnen. Seither ist sie Vollgas auf den Rennstrecken dieser Welt unterwegs. In Jahr 2008 qualifizierte sie sich für die Olympischen Spiele in Peking und 2010 sicherte sie sich den Heimsieg beim Cross-Country- Weltcup in Champéry. Vollgas gibt Nathalie auch neben der Rennstrecke: Sie lacht viel, ist bisschen verrückt und tanzt in jeder möglichen Situation. Seit Herbst 2016 ist sie Messeverantwortliche im Organisationsteam der Bike Days in Solothurn und des Urban Bike Festival in Zürich.