
Um ehrlich zu sein, hatte ich eigentlich keine Lust einen Bericht über den World Cup in Val di Sole zu schreiben. Ich bin mein schlechtestes WC-Ergebnis des Jahres gefahren und war sehr unzufrieden mit meiner Leistung. Ich gestehe mir ein, dass ich in Val di Sole unterperformt habe. Da ein schlechter Tag aber auch im Leben eines Sportlers dazugehört, ist es mir wichtig, auch davon zu berichten. Und kleiner Spoiler: Es gibt sogar ein Happy End.
Nun ja, wie soll ich anfangen. Es ist Renntag und ich fühle mich gut vorbereitet. Bike ist race ready, Rennanzug sitzt, Brille ist geputzt, die Flaschen mit Rennversorgung gefüllt und meinen Verschluss der Schuhe schnüre ich noch einen Klick fester. Ich bin im Kopf bereit für den letzten World Cup des Jahres. Beim Warm-up im Schwalbe-Zelt fühle ich mich auch gut und es deutet alles darauf hin, dass ich einen guten World Cup-Saisonabschluss fahren kann.
Ich rolle in die Startbox und meine Konzentrationsphase beginnt. Bevor ich auf die Startlinie gerufen werde, nehme ich noch mal einen großen Schluck aus meiner Flasche. Grüne Lichter, let’s go! Da beim finalen World Cup circa 80 Frauen am Start stehen, ist die Startphase sehr unruhig. Ich komme ganz gut weg, allerdings staut es sich sehr im ersten Anstieg. Ich und alle Fahrerinnen um mich herum müssen absteigen und das Getümmel beginnt.


Eine Fahrerin trifft mich beim Absteigen mit ihrem Fuß am Handgelenk, andere Konkurrentinnen verheddern ihre Fahrräder ineinander. Es sind keine schönen Zustände, aber das gehört wohl leider dazu. In der ersten regulären Runde merke ich dann schnell, dass ich heute nicht so richtig in einen guten und runden Tritt komme. Ich werde direkt ein paar Plätze nach hinten durchgereicht, kann aber noch Schadensbegrenzung betreiben. In den technischen Passagen bringt es mich immer wieder sehr aus dem Konzept, dass ich hinter anderen Fahrerinnen nicht meine eigenen Linien und meine eigene Geschwindigkeit fahren kann. Das ist bei einem Starterfeld der Größe besonders herausfordernd.


Ich merke, wie ich mental immer unzufriedener mit meiner Rennsituation werde und nach wie vor wenig Druck aufs Pedal bekomme. In Runde drei finde ich mich dann am mentalen Tiefpunkt wieder: Es macht mir keinen Spaß, ich kann bergauf nicht meine üblichen Werte fahren und fühle mich einfach richtig schlecht. Während ich physisch einfach weiterfahre, denke ich die ganze Zeit darüber nach auszusteigen. Ich bin erst einmal bei einem Rennen ausgestiegen und das war bei einem World Cup, nachdem mir am Start direkt die Kette gerissen ist.
„Du steigst nicht aus, solange du noch treten kannst“, rede ich mir zu und fahre einfach weiter. Es ist mir dann sogar egal, dass ich von immer mehr Konkurrentinnen überholt werde. Ich bringe das Rennen zu Ende, lande im 80 % Zelt und fange direkt an zu heulen. So unzufrieden war ich dieses Jahr noch nicht mit meiner Leistung, denn bisher lief es ja eigentlich sehr gut. Der Frust sitzt tief.

Auf der Heimfahrt beginne ich gemeinsam mit meinem Kumpel, das Rennen zu reflektieren. Ja, es war das erste Rennen nach meiner Corona-Infektion vier Wochen zuvor. Nach 1,5 Krankheitswochen bin ich langsam wieder ins Training eingestiegen. Alle Check-ups beim Arzt waren unauffällig und ich konnte schnell wieder meine üblichen Trainingswerte fahren. Fazit Nummer eins: Training ist kein Rennen. Obwohl ich mich wieder fit gefühlt habe, ist eine Rennsituation nicht nur eine physische, sondern auch eine psychische Belastung.
Dass ich mental nicht ganz auf Höhe war, lag zum Teil gewiss auch daran, dass ich mich am Ende der zweiten Zyklushälfte befand. In der Zeit habe ich oft mit meinem Selbstbewusstsein zu kämpfen und fühle mich manchmal in meiner eigenen Hat nicht zu 100 % wohl. Ich war mental nicht wirklich bereit, um Zweikämpfe auszutragen. Fazit Nummer zwei: Bei World Cups sollte man mental auf Höhe sein.
In den Wochen vor der Reise nach Val di Sole war privat bei mir viel los und ich war viel unterwegs. Oft konnte ich deshalb meine Ruhezeiten, die ich mir üblicherweise gönne, nicht einhalten. Ja, das war einfach alles zu viel. Fazit Nummer drei: Reise nicht gestresst zum World Cup. Auch beim letzten und vierten Fazit muss ich mir an die eigene Nase packen. Ich bin erst am Donnerstag nach Italien gereist und konnte mir die Strecke somit nur Freitag und Samstag für jeweils zwei Runden anschauen.
Da die Strecke für mich neu war, war das einfach ein zu wenig Zeit, um mir alles genau anzuschauen. Ich kannte meine Linien gut, hatte aber wenig Spielraum, um mir Gedanken darüber zu machen, wie es in Rennsituationen aussehen könnte. Da die Strecke die wohl unrhythmischste und „technisch langsamste“ Strecke aller World Cups ist, hätte ich mir mehr Zeit nehmen sollen. Fazit Nummer vier: Lerne die Strecke auswendig und sei dir über deine Linien und Ausweichlinien bewusst.
Neben all den Gründen und der Enttäuschung in Val di Sole habe ich begonnen, es positiv zu sehen. Ich konnte dieses Jahr meine bisher beste World Cup-Saison fahren und drei Top 40-Ergebnisse erzielen. In 5 von 6 Rennen konnte ich das Rennen auf der Zielgeraden und nicht im 80 % Zelt finishen. Auch meine Leistung generell ist besser geworden und ich konnte wieder viel dazulernen.
Es kann nicht immer sehr gut laufen und ein schlechtes Rennen ist keine schlechte Saison. Ich bin stolz auf meinen diesjährigen Fortschritt und besonders auf den Aufwärtstrend im World Cup. Ich sehe das Rennen in Val di Sole als Erfahrung und Motivation für mein Wintertraining. 😊
Was ist deine Motivation fürs Wintertraining?
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