Im fünften und letzten Teil des Kanada-Abenteuers von Jessie und Max geht es nach Nelson, Fernie und Banff. Neben Trail-Abenteuern stehen grandiose Panoramen, das Schwimmen in klaren Seen und ein Wetterumschwung auf dem Programm. Da auch die schönste Reise einmal zu Ende gehen muss, wollen auch der Verkauf des treuen fahrenden Untersatzes und die Heimreise organisiert werden. Wie genau die Traumreise zu Ende geht, erfahrt ihr im ausführlichen Bericht. Viel Spaß bei Wort und Bild!
Nach einigen genialen Tagen und bitterkalten Nächten – unser Van hat keine Standheizung und auf 1500 m ist es nachts auch im August unter 5 Grad kalt – brechen wir unsere Zelte in Sun Peaks ab und machen uns auf den Weg zum östlichsten Bikepark in British Columbia, dem Fernie Alpine Resort (mit einem Zwischenstopp in Nelson).
Unser Weg führt uns zunächst nach Süden, bis auf wenige Kilometer an die US-Grenze heran. Anfangs genießen wir noch die Landschaft und die Einsamkeit – in 1,5 Stunden kommen wir an lediglich drei winzigen Ortschaften vorbei – doch knapp 30 Kilometer vor der Kreuzung des Highway 33 mit dem Highway 3 bei Rock Creek ändert sich die Stimmung drastisch und uns wird zum ersten Mal bewusst, wie heftig die Waldbrände in B. C. in den letzen Jahren gewütet haben.
Hinter einer Kurve in einem schmalen Tal sehen wir, anstelle von Bäumen, verkohlte, schwarze Stäbe, die auf beiden Seiten des Highways und soweit das Auge sieht entlang der gesamten Bergflanken gen Himmel ragen. Dieses Bild ändert sich, bis auf einige kleine Baum-Inseln hier und da, für die nächsten 30 Kilometer nicht mehr. Kurz vor Rock Creek fahren wir durch die kleine Ortschaft Westbridge, die im Vorjahr offensichtlich komplett niedergebrannt ist und sich aktuell im mühsamen Wiederaufbau befindet.
Wir sind in den letzten Monaten schon öfters durch Landstriche gefahren, die in den letzen Jahren von Feuern heimgesucht worden waren, doch das Ausmaß der Zerstörung in der Gegend um den Kettleriver ist kaum in Worte zu fassen. Mit dem beunruhigenden Bild dieser dystopischen, kahlen, von schwarzen Baumstümpfen durchsetzen Landschaft im Kopf denken wir daran, dass wir in den letzen sechs Wochen bis auf einen Tag und zwei kurze Gewitter keinen Niederschlag gesehen haben, dieser Sommer aber im Vergleich zu den letzen Jahren als relativ ‘feucht’ gilt, und beginnen zu verstehen, warum die Waldbrände in B. C. so verheerend sind.
Kurz vor der US-Grenze biegen wir schließlich auf den Crowsnest Highway ab und lassen unseren Van die lange und steile Straße zum 1775 m hohen Kootenay-Pass hinauf blubbern. Oben angekommen informiert uns ein Schild, dass wir jetzt offiziell im Süd-Osten von B. C. angekommen sind. Erster Eindruck: Es ist noch genauso warm und sonnig wie im Westen und die endlosen Berge und Wälder sind auch noch da. Die Berge wirken allerdings etwas steiler und ‘alpiner’ als im Westen – ein erster Eindruck, der sich in den kommenden Wochen noch verfestigen sollte.
Nelson
In Nelson angekommen stellen wir sofort fest, dass die Dinge hier etwas anders sind, als wir es bisher von Kanada gewohnt waren. Fast der gesamte historische Ortskern aus roten Backstein-Gebäuden ist noch erhalten, was die Stadt am Kootenay Lake in unseren Augen zu einem der bisher schönsten Orte in B. C. macht. Zu den Gebäuden aus der Zeit des späten 19. und frühen 20. Jahrhunderts (für nordamerikanische Verhältnisse uralt) gesellt sich ein ausgeprägter Hippie bzw. Aussteigerflair mit vielen Kunstgalerien, Craft-Beer-Brauereien, kleinen Cafés und Läden, was wir so aus Kanada noch nicht kannten.
Die Begründung für diesen besonderen Flair lieferten uns ein Local in einem Café und eine kurze Recherche im Internet, denn die Geschichte klang uns etwas zu abgedreht. Doch die Story ist augenscheinlich wahr: Nachdem in den 70er Jahren erst eine Reihe der umliegenden Silberminen und dann das größte Sägewerk der Gegend geschlossen wurde, entwickelte sich, befeuert von einer Reihe Hippies der 68er Generation und junger Wehrdienstverweigerer aus den nahen USA, die vor der Entsendung in den Vietnamkrieg geflohen waren, der illegale Anbau von Marihuana zum größten Wirtschaftszweig der Region. Dies lockte immer mehr Menschen an, die sich so letzten Endes auch in Nelson dauerhaft niederließen. So wurde die Stadt, entgegen vieler anderer Orte zu dieser Zeit, nicht zu einer Geisterstadt, sondern zu einer wachsenden Gemeinschaft aus Künstlern und Aussteigern, was wiederum eine Menge Touristen anlockte.
So, und jetzt zurück zum Thema. Worum ging’s nochmal? Ach ja, Mountainbikes. Trails gibt es in der Gegend um Nelson massig, allerdings sind diese, wie schon in Nanaimo, tief in den Wäldern versteckt und ohne lange Fahrten auf Schotterpisten nur schwer zu erreichen. Sollten wir jemals wieder in die Gegend um Nelson kommen, werden wir definitiv einige zusätzliche Tage einplanen, um die Trails in der Gegend zu erkunden. Uns drängte allerdings etwas die Zeit, denn das erste Septemberwochenende und damit auch das letze Wochenende der Bikeparksaison (bis auf Whistler) stand kurz bevor und wir wollten noch mindestens eine Woche in Fernie verbringen. So verabschiedeten wir uns nach nur zwei Nächten von Nelson und machten uns auf den Weg an den östlichsten Zipfel von B. C.
Fernie
In Fernie angekommen haben wir es uns zunächst auf einem großen, äußerst schönen Campingplatz gemütlich gemacht und die Stadt besucht. Für Max war es ein „nach Hause kommen“, da er nach dem Studium bereits zwei Jahre als Snowboardlehrer sein Leben in Fernie gefeiert/genossen hatte (allerdings fuhr er damals noch nicht Mountainbike). Wie schon in Nelson sind in Fernie viele Gebäude aus der Gründerzeit erhalten geblieben, was der Stadt im Vergleich zu den meisten anderen Orten in B. C. einen gewissen Charme gibt. Desweiteren ist Fernie komplett von Bergketten umringt, was für eine wirklich spektakuläre Aussicht in alle Richtungen sorgt.
Das, was Fernie allerdings wirklich zu einem Highlight unseres Trips gemacht hat, ist die direkte Nähe des Ortes zum Skigebiet/Bikepark. Anders als Whistler ist Fernie keine ‘Resort City’, sondern ein ‘echter’ Ort, der ursprünglich für den Steinkohleabbau gegründet wurde. Anders als Sun Peaks, Silverstar und Big White, wo man jeweils mehr als 40 Minuten zum nächsten Ort fährt, ist das Fernie Alpine Resort weniger als 10 Autominuten vom Ortskern entfernt. Das sorgt dafür, dass man abends nicht alleine auf dem Berg sitzt, sondern eher, wie aus den Alpen gewohnt, auch die Stadt genießen und vernünftig einkaufen und feiern gehen kann. Außerhalb des Bikeparks gibt es in Fernie zusätzlich noch eine unfassbare Menge an Trails, die direkt im Ort starten bzw. enden und einen Park mit Dirtjumps und einem Pumptrack direkt im Ortskern.
Da es mittlerweile Ende August war und das letzte lange Wochenende des Sommers vor dem Ende der Schulferien anstand, war unser Campingplatz über das Wochenende vollkommen ausgebucht, weswegen wir nach zwei Nächten im Ort für drei Tage in die Campingarea am Fuße des Bikeparks ‘umgezogen’ sind (Toiletten waren vorhanden, Duschen leider nicht).
Vom langen Wochenende und den hohen Besucherzahlen bemerkten wir im Bikepark, wie schon einen Monat zuvor in Sun Peaks, am ersten Tag rein gar nichts. Keine Liftschlange, keine Wartezeit. Am zweiten Tag sah das ganze, aufgrund des letzten Sommerferienwochenendes, nochmal ganz anders aus und es herrschte Hochbetrieb. Gut für den Park, schlecht für uns. Was wir außerdem deutlich wahrnahmen, war die Tatsache, dass die Hälfte des Bikeparks wegen Wartungsarbeiten am Timber Chair Lift geschlossen war. Außerdem fiel uns die Geschwindigkeit des Elk Chair Lifts auf, der sogar den alten Lift im Bikepark Samerberg in Sachen Langsamkeit übertrumpften konnte. Langsam bedeutete 20 Minuten für 300 Höhenmeter. Naja, so hatte man auf jeden Fall genug Zeit, die wirklich spektakuläre Aussicht zu genießen, ein oder zwei Nickerchen zu machen, sich ausgiebig über die philosophischen Aspekte der Quantenphysik zu unterhalten und die Trailmap auswendig zu lernen. Gut ausgeruht oben angekommen, machten wir uns zunächst auf den Weg zu Mr. Berms, gefolgt von Holo Bike (beide blau) und stellten gleich fest, dass Fernie einmal mehr komplett anders war als alles andere, was wir bisher in B. C. gefahren waren.
In Osten von B. C. hatte es wohl mehr oder weniger zwei Monate lang so gut wie nicht geregnet, was hieß, dass alle Trails aus knöcheltiefem Staub bestanden und extrem rutschig und schnell zu fahren waren. Während Mr. Berms eher ein durchschnittlicher Flowtrail mit vielen Anliegern (Überraschung!) und einigen wenigen kleinen Sprüngen ist, war Holo Bike eher ein kurvenbefreiter Mix aus Wurzelteppichen und tiefem Staub, der allerdings sehr spaßig war. Der Trail mag zwar blau sein, aber dadurch, dass so gut wie nie gebremst werden MUSS, lässt sich das Ding, wenn man die Finger von den Hebeln lässt, mit einem aberwitzigen Speed fahren und man kommt sehr schnell an die Grenzen des eigenen Muts. Diese Art Trail stellte sich dann auch als typisch für Fernie heraus.
Davon angefixt lernten wir auf der nächsten zähen Liftfahrt die Namen der 30 Trails auswendig (Trailnamen-Highlights auf der gesperrten Seite: Bin Logdin und Rumplestumpskin) und beschlossen, zunächst die überschaubare Zahl an blauen (4) und schwarzen (0) Trails auf der Freerideseite der Trail Progession Matrix zu fahren, bevor wir uns auf die technische Seite mit fünf blauen und sage und schreibe 13 schwarzen Trails konzentrieren wollten. Kurz gesagt: Den Freeride-Teil hätten wir uns sparen können. Der blaue Jumptrail Top Gun hatte mehr Löcher als ein Spätzlesieb und war derart zerbombt, dass an Flow nur schwer zu denken war. Gut, es war staubtrocken und die letze Woche vor Saisonende, aber einen Trail in diesem Zustand hatten wir beide noch nicht gesehen. Mr. Berms kannten wir schon, Monorail war schwer zu finden, sehr kurz und nichts besonderes und Bin Logdin gesperrt. Etwas enttäuscht machten wir kurz Rast am Van und beschlossen, dem Park am Nachmittag noch eine weitere Chance zu geben. Zum Glück.
Ein Local gab uns auf der Liftfahrt (haben wir schon erwähnt, wie lang diese dauert?) den Tipp, Willpower (schwarz) und in der Lap darauf die Kombination Mr. Berms / Trac II (schwarz) / Honey Bee (grün) zu fahren. Wir folgten seinem Rat und waren begeistert. Ähnlich wie in Sun Peaks bestehen die Trails in Fernie teils schon seit Jahrzehnten mehr oder weniger unverändert, weswegen sie old-school-like, größtenteils gerade und in der Falllinie verlaufen. Gemeinsam mit dem staubigen Untergrund und den vielen Wurzeln und Stufen, führt das dazu, dass man als Durchschnittsfahrer ungewohnt schnell und loose unterwegs ist und eine riesige Staubfahne hinter sich herzieht. Selten haben uns technische Trails so viel Laune gemacht und waren, trotz der relativ hohen Schwierigkeit, so flowig zu fahren. So muss das!
Selbst der grüne Honey Bee macht unglaublich viel Spaß, da er in der Falllinie gebaut ist und so gut wie keine Kurven hat. Das Resultat: Der an sich leichte Trail wird durch einen wirklich hohen Trailspeed zu einer willkommenen Herausforderung. Wieviel Sinn es macht, einen Trail zu bauen, der für Anfänger und Kinder gedacht ist, jedoch schon von Fortgeschrittenen mit annähernd Überschallgeschwindigkeit gefahren werden kann, steht auf einem anderen Stern. So lange niemand vor einem ist, macht es auf jeden Fall sehr, sehr viel Spaß. Jedenfalls so lange, bis einem in einer seltenen Kurve der Reifen wegknickt, man aber trotzdem weiterfährt und sich dabei die Felge demoliert. Tag zu Ende.
Am späten Nachmittag gingen wir in die Stadt, um eine Runde Frisbee-Golf zu spielen, was sich mittlerweile für uns fast schon zu einer Post-Ride-Routine entwickelt hat, gefolgt von Staunen über das unfassbar hohe Niveau beim Wam Bam Dirtjump Jam (Double-Backflips und Backflip-Tailwhips bei einem FMB Bronze – also Amateur-Event? Sweet!) und dem Genießen des wirklich grandiosen Nachtlebens in Fernie.
Nachdem sich der Schaden an der Felge als mäßig erwies (sprich Bearbeitung mit Hammer und Feile und Verzicht auf Tubeless), entschieden wir uns dazu, am nächsten Morgen den Rat der Locals zu missachten und uns, nach einigen Warmup-Laps, an Cats Pyjamas (doppelt schwarz) zu wagen. Die Liftcrew teilte uns mit, dass man, bevor man sich auf die schwierigere und wegen Wartungsarbeiten am Lift leider geschlossenen Seite des Bikeparks wagen sollte, als Test der eigenen Skills auf der „einfachen” Seite entweder Kodiak Karnage oder Cats Pyjamas fahren sollte, da es auf der schwierigen “Timber”-Seite ausschließlich doppelt schwarze und extrem steile Trails gäbe.
Wir dachten uns, dass wir nach zwei Monaten in Kanada ja mindestens Pros sein müssten, doch der Blick in die erste Sektion von Cats Pyjamas holte uns in die Realität zurück. 45 Grad steil, hängende Kurve, keine Rut, keine Catch Berm und knöcheltiefer Staub. Sowas sind wir definitiv noch nicht gefahren. Gegen diesen Trail sind die steilsten Stellen der Weltcup-Strecken in Leogang und Schladming flach (kein Witz!). Wir entschlossen uns, den Trail in Sektionen zu fahren und jeden Teil vorher anzuschauen. Nichtsdestotrotz brauchten wir für jede Sektion jeweils mindestens zwei Versuche, um sauber durchzukommen und einiges an Zeit, da sich neben dem Fahren auch das Hochlaufen in dem Staub als schwierig gestaltete. Nach einer halben Stunde kamen wir dann schließlich mit einem breiten Grinsen und Staub auf jedem Quadratzentimeter unserer Haut unten wieder heraus.
Es hat seinen Grund, dass dieser Trail laut Liftcrew weniger als 10 Mal am Tag gefahren wird. Ohne Driften mit beiden Reifen und dem Treffen der exakt richtigen Linie, erwartet einen unten (wie wir aus eigener Erfahrung bestätigen können) immer ein Baum. Die Tatsache, dass wir es irgendwie geschafft hatten, diesen Trail zu bezwingen, gehört zu den absoluten Highlights unseres Trips. Mit den Wörtern ‘steil’ und ‘rutschig’ neu definiert, lief es auch plötzlich auf allen anderen Trails besser, schneller und flüssiger. Im Nachhinein ist es erstaunlich, was für einen positiven Unterschied es wirklich macht, wenn man sich etwas aus seiner Komfortzone wagt und sich einfach mal eine Challenge setzt.
Insgesamt gefiel uns der Bikepark in Fernie trotz oder gerade wegen seiner Macken sehr, sehr gut. Wer nach Flow sucht, sollte sich woanders oder bei den Trails um die Stadt herum umsehen. Wer nach einer technischen und staubigen Herausforderungen sucht, der wird im Fernie Bikepark allerdings mehr als nur fündig. Vielleicht wird allerdings auch schon auf unsere Meinung reagiert, denn am letzen Tag fanden wir überraschenderweise sogar noch einen richtig amtlichen Jumptrail names Rubber Ducky, der zu dem Zeitpunkt auf der Trailmap noch als Tech-Trail und ganz woanders eingezeichnet war und wohl erst in der vorherigen Woche fertiggestellt wurde.
Das letzte lange Wochenende des Sommers bedeutete für uns allerdings auch das Ende unserer Bikepark-Entdeckungstour, denn Anfang September schlossen alle Bikeparks bis auf Whistler ihre Tore (in einigen Fällen gab es noch ein oder zwei ‘Bonus-Wochenenden’). Unser Plan sah daher vor, noch ein paar Tage in Fernie zu bleiben und dann über Alberta nach Norden zum Banff und Jasper National Park zu fahren und diese zu erkunden, bevor wir uns auf den Rückweg nach Westen und ultimativ Whistler machen würden, wo wir das Ende unseres Roadtrips mit einigen Tagen im Whistler Bikepark ausklingen lassen würden. Gesagt, getan.
Banff
Nach einigen weiteren Tagen in Fernie, die vom Besuch unseres Münchner Freundes Michi, der auf seiner eigenen Kanadarundreise (ohne Bike) war, versüßt wurden, verließen wir erstmals B. C. und die Rockies, bevor wir in Banff zumindest die Berge wieder hatten.
Nach dem Erkunden der Stadt und der atemberaubend schönen Umgebung, machten wir uns mit Stopps in Lake Louise und beim Morraine Lake auf die wohl landschaftlich spektakulärste Etappe unserer Reise – den Icefields Parkway. Kaum Autos, kein einziger Ort, aber dafür eine tolle Aussicht hinter jeder Kurve. Schnell entschlossen wir uns, uns für die 230 km lange Fahrt etwas mehr Zeit zu lassen und unterwegs an zwei einfachen, aber dafür wunderschön gelegenen Campingplätzen zu übernachten.
Beim Besuch von Jasper, einige Tage später, hatten wir zum ersten Mal seit drei Tagen wieder Handyempfang und stellten zu unserem Entsetzen außerdem fest, dass der Sommer nun wohl auch wettertechnisch offiziell vorbei war. Regen. Eine ganze Woche lang. Shit.
Am nächsten Tag verließen wir den Jasper National Park inmitten tiefer Wolken und machten uns auf den Weg nach Westen. Egal wo wir schauten, die Wettervorhersage für ganz B. C. sah ähnlich trüb aus, weswegen wir uns entschlossen, einfach an Ort und Stelle zu halten, einen günstigen Campingplatz zu finden, den Van wetterfest zu machen und erstmal abzuwarten. Ort und Stelle war Blue River, ein Ort mit 200 Einwohnern, zwei Tankstellen, einem Laden, einem Post Office und drei Restaurants, von denen allerdings zwei Teil der Tankstellen waren. Und so saßen wir drei Tage mitten im Nirgendwo und sahen dem Regen zu, während wir unser Bestes versuchten, in unseren bescheidenen fünf Quadratmetern nicht dem Hüttenkoller zu erliegen. Camping ist zwar genial, die nasse Version davon, auch ‘Damping’ genannt, ist dafür auf Dauer richtig ätzend. Man kann kaum etwas machen und jedes Mal, wenn man die Tür aufmacht, ist das ganze Haus feucht und kalt.
Bevor jetzt in den Kommentaren das Gehate losgeht – ja, wir wussten worauf wir uns einlassen. Ja, wir haben schonmal von Regen gehört und sind uns wohl bewusst, dass Camping im Regen weniger toll ist als Camping in der Sonne. Allerdings wollen wir hier auch nichts unnötig beschönigen und so genial unser Trip bisher auch war, das Wetter ist und bleibt immer ein Risiko (besonders ab September), und wer einen ähnlich gearteten Trip unternimmt, sollte sich dessen bewusst sein.
Nach drei Tagen Dauerregen hatten wir unsere Büchersammlung mehr oder weniger durchgelesen, jedes erdenkliche Kartenspiel gespielt und dank WLAN auf dem Campingplatz alle MTB-Weltcups, die wir verpasst hatten, nachgeschaut sowie das Ende von Netflix auf dem Handy erreicht (ja, okay, fast ;)). Zum Glück tat sich ein kleines Wetterfenster mit etwas Sonnenschein und etwas weniger Regen im Okanagan Valley auf, worauf wir kurzerhand entschlossen, die vier Stunden zum Swan Lake in der Nähe von Vernon durchzufahren, um zumindest zwei Tage lang einen Mix aus Sonne und Regen, anstatt nur Regen zu genießen zu können.
Nach zwei zumindest weniger regnerischeren Tagen und sogar etwas Sonnenschein zog die nächste Regenfront auf, die diesmal auch das Okanagan Valley treffen würde. Doch am Ende der Regenfront versprach die Vorhersage die Erlösung: drei einigermaßen trockene Tage in Whistler. Zur unserer zusätzlichen Freude wurde am gleichen Tag der Late Season Pass in Whistler bekanntgegeben, was gleichbedeutend ist mit: unbegrenzt fahren im Whistler Bikepark für 305$. Das Ziel für unsere letzen drei Wochen stand somit fest.
Whistler
Über den Whistler Bikepark haben in wir in Teil 3 unseres Reiseberichts schon ausführlich geschrieben, weswegen wir an dieser Stelle nicht weiter darauf eingehen werden, doch soviel sei gesagt: Es war absolut genial und wir haben jeden Tag genutzt.
Abseits des Bikens und besonders an regnerischen Tagen versuchten wir, unsere verbliebene Zeit in Whistler mit einer Mischung aus morgendlichem Aufwärmen im South Side Diner (die Temperaturen waren mittlerweile nachts um oder unter dem Gefrierpunkt und die Garbonzone Zone im Bikepark sogar wegen Schneefall geschlossen), dem Schreiben dieser Reiseberichte, dem Verkauf unseres Vans sowie dem Frisbee-Golf-Spielen auf dem campingplatz-eigenen Kurs und dem Kurs in Whistler zu füllen.
Aufmerksame Leser werden sich erinnern, dass wir ca. 4 Wochen vorher unseren Van, den wir für 8000 Dollar (knapp 5000 Euro) gekauft hatten, wieder zum Verkauf angeboten haben. In diesen vier Wochen bekamen wir zwar eine Vielzahl von Views auf unsere Anzeigen bei Kijiji und Facebook, doch es meldeten sich kaum Interessenten. Wie sich herausstellte, sucht zwar jeder am Anfang des Sommers nach Vans, am Ende des Sommer versuchen allerdings viele – genau wie wir – diese wieder zu verkaufen. Wenig überraschend wollen am Ende des Sommers auch weniger Leute einen Van kaufen, was ein gewisses Überangebot und damit niedrigere Preise zur Folge hat. Im Nachhinein gesehen hätten wir da auch im Vorhinein drauf kommen können. Sind wir aber nicht.
Von den Personen, die sich meldeten, waren bislang nur zwei ernsthaft interessiert. Die eine Unterhaltung endete leider noch vor der Besichtigung mit einer Absage, die andere mit wüsten Beschimpfungen, warum wir es uns einbilden würden, eine fixe Zusage für eine Besichtigung zu verlangen, bevor wir uns auf eine sechs-stündige Fahrt zu ebendieser einlassen würden. In Anbetracht der Beschimpfungen verzichteten wir dankend darauf, uns mit dieser Person zu treffen. Menschen im Internet sind leider manchmal ziemlich scheiße.
Der Preis wurde also gesenkt, denn in Anbetracht unserer Erfolglosigkeit stieg unsere Angst, auf dem Van sitzen zu bleiben, mit jedem Tag merklich. Von dem Gedanken, den Van vielleicht mit nach Europa zu nehmen, hatten wir uns schweren Herzens und nach einem Kostenvoranschlag der Spedition über 4000 Euro, schon verabschiedet. Trotz der Tatsache, dass der Van mit Baujahr ’85 als Oldtimer beim Import gewisse Vorteile gehabt hätte, würden mit Sicherheit über kurz oder lang Reparaturen auf uns zukommen, die unser Leben nicht leichter machen würden. Als Notfall-Option würden wir den Van bei einem Händler oder einem Schrottplatz für einen Bruchteil des Bezahlten loswerden müssen, doch dafür war uns der Pineapple Express zu sehr an Herz gewachsen. Guter Rat war teuer, an Sorgen gab es, wie auch an Vans, ein Überangebot.
Doch dann ging alles auf einmal ganz schnell. Zwei Wochen vor unserem Abflug (auch hier hatten wir dank der Thomas Cook- bzw. Condor-Pleite einige Tage Muffensausen), meldete sich James aus Australien. Er hatte sich sofort unseren Van verguckt, würde allerdings erst Anfang November in Canada ankommen, ob wir vielleicht etwas mit ihm arrangieren könnten. Jackpot! Durch unsere ähnliche Situation beim Ankauf (mehr dazu in Teil 1) wussten wir über den Prozess gut Bescheid und konnten James den Großteil seiner Überlegungen und Planungen abnehmen. Im Verlauf einer Runde Frisbee-Golf war alles geklärt und wir hatten eine Zusage für den Kauf unseres Vans zum Preis von 7500 Dollar. Manchmal ergeben sich die Dinge einfach so, wie sie sein sollen. Das virtuelle Minus von 500 Dollar empfanden wir in Anbetracht unserer Situation nicht wirklich als Verlust, sondern eher als Geschenk, und nach drei Tagen war die Anzahlung auf unserem Konto. Gefühlt fielen uns die gesamten Rocky Mountains vom Herzen und auch die Wettervorhersage für die kommenden Tage in Whistler (Überraschung: starker Regen) kam uns plötzlich nicht mehr so schlimm vor.
Wir hatten es geschafft. Im Großen und Ganzen hatte unser Trip, unser kanadisches Abenteuer, exakt so geklappt, wie wir es uns vorgestellt und geplant hatten. Nur noch besser. Auch ein gerissener Keilriemen am Vorabend der Vanübergabe an eine Freundin von James inklusive panischer nächtlicher Reperaturaktion (natürlich im Regen) und dem Übernachten auf einem Hinterhofparkplatz in Whistler’s Function Junction, konnte uns nur vorübergehend aus der Ruhe bringen. Mit Ratschlägen via Telefon eines äußerst hilfreichen Mechanikers aus Squamish (um 22 Uhr abends (!) – danke hierfür, Jonny Mechanic!) und einer lokalen Reparaturwerkstatt, war der Pineapple Express am späten Vormittag wieder fit. Also fuhren wir schnell zurück zum Campingplatz, um unsere zurückgelassenen Habseligkeiten wieder einzusammeln, zu verpacken, den Van gründlich zu putzen und uns auf den Weg zurück nach Vancouver zu machen.
Vancouver
Mit mehr als nur schwerem Herzen und tieftraurig übergaben wir schließlich unser Abenteuergefährt und treuen Begleiter an eine Freundin seines neuen Besitzers. Das überwiesene Geld und die erste warme Nacht in einem echten Bett in einer echten Wohnung seit drei Monaten (danke hierfür an unsere Campingbekanntschaft Amandine) trösteten uns dann aber doch etwas über unseren Verlust hinweg (er war ja absehbar ;)), bevor wir auch schon die Taxifahrt zum Flughafen antraten und B. C. den Rücken zukehren mussten.
Wieder in Deutschland angekommen, wurden wir, noch bevor der ICE in Frankfurt losfuhr, von einer Frau mittleren Alters angeblafft, wer den Bitteschön mit so viel Gepäck verreisen müsse, und wussten direkt: Wir sind wieder daheim. Im Lichte dieses herzlichen Willkommens wussten wir dann allerdings auch zwei Dinge ganz genau: Wenn wir es könnten, würden wir alles wieder genau so machen UND wir haben definitiv noch nicht genug von Kanada und British Columbia.
Vielen Dank euch allen für’s Lesen. Wir hoffen, ihr hattet genauso viel Spaß beim Lesen unserer Berichte wie wir beim Schreiben und dass wir vielleicht sogar den Einen oder Anderen zu einer Reise inspirieren konnten. Wir haben es auf jeden Fall zu keinem einzigen Zeitpunkt bereut, diesen Schritt gegangen zu sein.
In diesem Sinne: Haut rein & ride on! Jessie und Max
Alle Artikel zum Great Canadian Adventure
- The Great Canadian Adventure – Teil 5: Finale in Nelson, Fernie und Banff
- The Great Canadian Adventure – Teil 4: Silverstar, Crankworx und Big White
- The Great Canadian Adventure – Teil 3: Ins Paradies und darüber hinaus
- The Great Canadian Adventure – Teil 2: Endlich im Paradies?
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