Fox 38 Factory im ersten Test: Lange wurde spekuliert – jetzt ist die 38 da und füllt eine Lücke, die in den letzten Jahren immer deutlicher wurde. Immer schnellere Bikes mit großen Laufrädern und viel Federweg verlangten danach, dass Fox die Lücke zwischen den Modellen 40 und 36 schließt. Die Fox 38 kommt mitsamt der überarbeiteten 36 – aber nicht einfach als Adaption der bestehenden Federgabel-Modelle. Über die gesamte Gravity-Produktpalette hinweg wurden Struktureinheit und Innenleben weiter verfeinert. Was es mit den Änderungen zur bestehenden Technologie auf sich hat und was ansonsten noch neu ist, haben wir für euch herausgefunden.
Fox 38 Factory – Infos und Preise
In der Fox-Produktpalette soll die neue 38 kein anderes Produkt kannibalisieren, sondern vielmehr dazu beitragen, dass man als Kunde sehr genau nach seinen Anforderungen wählen kann. Fox schiebt die kleinere 36 dazu etwas weg vom kompromisslosen Renneinsatz hin zu einem Einsatzbereich für Leute, die einfach Mountainbiken wollen. Damit wird die neue Fox 38 Factory das Flaggschiff für die harten Enduro-Rennstrecken rund um den Globus. Welche Parameter muss eine solche Gabel bedienen?
Moderne Standards, dem Einsatzbereich entsprechender Federweg, Zuverlässigkeit und hochgradiges Tuning-Potenzial – all das will Fox mit dem neuen Chassis geschaffen haben. Konkret bedeutet das: 160 bis 180 mm Federweg für 29″- und 27,5″-Bikes, Boost-Einbaumaß, ein neu gedachter Tapered-Schaft sowie eine neue Achs-Konstruktion. Für maximale Zuverlässigkeit sollen eine stark verbesserte Qualitätskontrolle und neue Lösungen im Casting sorgen. Maximale Anpassbarkeit gibt es dank einer etwas anderen Evol-Luftfeder und überarbeiteter Grip2-Dämpfung. Auf all das wollen wir gleich noch detailliert eingehen. Jetzt aber erst einmal zu den harten Fakten der neuen Federgabel:
- Laufradgrößen 27,5″ und 29″
- Federweg 160–180 mm
- Federung überarbeitete Float Evol-Luftfeder
- Dämpfung überarbeitete Grip2-Kartusche
- Farben schwarz, orange, pistachio hue (Heritage-Edition, limitiert)
- Achsmaß 15 x 110 mm Boost
- Achsen QR-Steckachse, KaboltX-Schraubachse
- Offset 37 mm, 44 mm und 51 mm
- Gewicht ab 2.180 g (Herstellerangabe), 2.356 g (nachgewogen, 29″, 170 mm, 44 mm Offset)
- Verfügbarkeit April 2020
- www.ridefox.com
Preis 1.259–1.589 € (UVP) | Bikemarkt: Fox 38 Factory kaufen
Im Detail
Fox stampft ein gänzlich neues Produkt aus dem Boden. Die neue Fox 38 ist da und mit ihr eine komplett neue Optik, die sich auch auf die restliche Produktpalette im Gravity-Bereich ausbreitet. Mit dem neuen Modelljahr kommen auch frische Farben ins Haus. Fox launcht die Heritage-Edition, eine limitierte Auflage in Sonderedition. Da die Geschichte der 38 aber erst mit diesem Jahr beginnt, hatten die Gestalter freie Hand bei der Farbwahl. Herausgekommen ist neben den Standard-Farben Schwarz und Orange also die limitierte Sonderauflage in Pistazien-Grün.
Wo fangen wir bei einem komplett neuen Produkt an? Bei der 38 gibt es von oben bis unten neue Features zu entdecken. Beginnen wir ganz oben, da wo wir selten beginnen: beim Schaft. Fox setzt hier weiterhin auf einen tapered Schaft, diesem wurden aber neue innere Werte verpasst. Um hinsichtlich Steifigkeit und Stabilität zu optimieren, ist der Schaft ovalisiert. An den Kontaktpunkten, also an den Lagersitzen und ganz oben wo der Vorbau geklemmt wird, ist der Querschnitt natürlich weiterhin rund. Ovalisiert wurde nur ab dem Taper-Bereich nach unten – allerdings nur auf der Innenseite. Am Übergang zur Gabelbrücke gibt es in die Zukunft zwei Optionen: Eine Brücke im herkömmlichen Design für die normale Gabel-Serie – dazu gibt es aber für den E-Bike-Einsatz oder sehr voluminöse Carbon-Steuerrohre noch eine Krone mit etwas mehr Fleisch.
Ein Stockwerk tiefer hat sich nicht viel getan. Klar, der Standrohrdurchmesser von 38 mm ist neu, aber die Rohre sind weiterhin gleich beschichtet: Kashima Coating für die Factory-Gabeln, schwarze Anodisierung für die anderen Ausführungen. Umso spannender geht es dann aber beim Casting zu. Denn hier ist komplett alles neu. Fox will mithilfe von FE-Analysen das Maximum aus dem Casting geholt haben – vor allem hinsichtlich Gewicht und Steifigkeit. Nach eigenen Angaben, ist die 38 im Vergleich zur neuen Fox 36 2020 steifer: 9 % höhere laterale Steifigkeit, 20 % höhere torsionale Steifigkeit und 31 % steifer in einem Messverfahren, bei dem alle erdenklichen Kräfte gleichzeitig auf die Gabel einwirken. Mit Sicherheit nicht unbeteiligt daran ist die neue, auffällige Konstruktion der Casting-Brücke. Auf den zweiten Blick erkennt man erst, wie weit die Brücke von den Standrohren entfernt ist. Als Grund dafür sieht Fox die immer weitreichendere Verwendung von Reach-Adjust-Steuersätzen. Da diese die Lenkachse auch etwas näher zum Fahrer ziehen können, soll so Kollisionen mit dem Steuerrohr vorgebeugt werden.
Fox hatte schon seit einer Weile Gewindebohrungen an der Rückseite des Castings. Neben dem Fox Live Valve-Sensor erfüllen diese jetzt auch einen zweiten Zweck: Es gibt endlich ein eigenes Schutzblech von Fox, das an die 36 und 38 passt.
Rückseitig passieren gleich zwei Dinge, die nicht ganz der Norm entsprechen. Einerseits sehen wir einen „Steg“, der sich vom Staubabstreifer ein paar Zentimeter tief zieht. Auf diesem sitzt ein Druckablass-Ventil. Ist das eine Verstärkung, um Flex zu reduzieren? Nein, falsch gedacht. Dahinter befindet sich ein Hohlraum. Mit diesem Kanal will Fox zwei Dinge erreichen: Das Luftvolumen im Casting wurde erhöht, um Platz für doppelt so viel Schmieröl zu schaffen, ohne dass das Luftvolumen im Casting die Endprogression der Feder beeinflusst. Außerdem soll der Kanal im Zusammenspiel mit dem einfedernden Standrohr eine Pump-Funktion haben. Schmieröl soll somit leichter nach oben in Richtung der Schaumringe und Führungsbuchsen gelangen und dort für optimale Schmierung sorgen. Für den Fall, dass sich doch Druck aufbaut oder man sich in großer Höhe befindet, reicht ein einfacher Druck auf das Ventil, um Innen- und Außendruck zu auszubalancieren.
Weiter geht es an der Achse. Hier wird sich vielleicht der ein oder andere denken – das gabs doch schonmal! Richtig – sowohl 36 als auch 40 hatten bereits vergleichbare Systeme. Fox geht hier einen Schritt zurück. Wir haben bereits erwähnt, dass der Hersteller seine Qualitätskontrolle auf ein sehr hohes Level gehoben hat. Damit die Gabel bestmöglich arbeitet, muss alles perfekt fluchten – an der Achse war das aufgrund abweichender Fertigungstoleranzen von Naben-Herstellern nicht kontrollierbar. Fox geht deswegen auf eine einseitig geklemmte Achse zurück, die Toleranz-Unterschiede bei Naben ausgleichen kann. Bei der KaboltX-Schraubachse sollte man nach Festziehen der Achse auf etwa 50 % Hub einfedern, damit die Standrohre mit den Führungsbuchsen überlappen. Zieht man jetzt die Achsklemmung fest, sollte das Casting unten nicht zusammengezogen sein – die Standrohre arbeiten nicht gegen die Buchsen, sondern können schön gleiten.
Auch eine schnell bedienbare QR-Lösung hat Fox gefunden. Das Vorgehen ist ähnlich: QR-Achse bei geöffneter Achsklemmung einschrauben, QR-Hebel in die richtige Position bringen und umlegen, damit die Achse verspannt ist – dann die Federgabel einfedern und die Achsklemmung festziehen. Mit der Klemmschraube am Casting fixiert man einen Spacer, der die Naben-Toleranz jetzt hält – man kann nach dem einmaligen Einstellen also ganz normal die Schnellspann-Funktion nutzen. Apropos Schnellspanner: Einstellen lässt sich dieser jetzt über einen Mechanismus in der Achse, nicht mehr über die spezielle Kontermutter auf der gegenüberliegenden Seite. Anstatt der einstellbaren Mutter gibt es jetzt einen verpressten Gewindeeinsatz.
Federung & Dämpfung
Werfen wir zuerst einen Blick zurück auf die bestehende Technik am Beispiel der Fox 36. Fox arbeitet seit einiger Zeit mit der Evol-Luftfeder – ein Luftfedersystem mit Positiv- und Negativ-Luftfeder, inklusive Ausgleich via Überströmkanal. Dämpfungs-seitig ist seit letztem Jahr die Grip2-Kartusche State of the Art. Mit der vierfach einstellbaren Dämpfungseinheit ging Fox den Schritt zurück vom Bladder zum Feder-vorgespannten Trennkolben. Außerdem wurde eine ganz neue Ventil-Technologie vorgestellt – VVC – kurz für Variable Valve Control.
Federung
Vom Rückblick direkt in die Gegenwart – was ist der neue Stand der Dinge? Wieder eine Evol-Feder, aber nicht ganz so, wie wir sie kennen. Anstatt den Luftkolben über die Innenseite des Standrohrs gleiten zu lassen, verwendet Fox eine zum Standrohr konzentrische Lufthülse. Diese Hülse steckt zur Gänze im Standrohr. Auf der Innenseite, also da, wo der Luftkolben sich bewegt, beträgt der Durchmesser 34 mm. Im Vergleich zur Bauweise ohne Lufthülse soll die geringere Auflagefläche der X-Ring-Dichtung für verringerte Reibung sorgen. Zweiter positiver Effekt laut Fox – verwinden sich die Standrohre, entkoppelt die Lufthülse den Kolben vom Standrohr. Dadurch soll die Dichtung nicht verdreht zur Gleitfläche verschoben werden – was wiederum negativ für Lastwechsel und die Reaktionsgeschwindigkeit wäre.
Die Updates von 36 und 40 im Negativ-Feder-Volumen wurden bei der neuen 38 ebenso umgesetzt. Um das Positiv-Volumen zu beeinflussen, gibt es von Fox wie gehabt Volumenspacer. Aufgrund der Lufthülse wäre die Vermutung naheliegend, dass Spacer von einer der kleineren Schwestern passen könnten – die 38 bekommt aber eigene. Eingefärbt in knackiges Gelb, bieten sie wie gehabt 10 cc Volumen.
Was tun mit dem Raum zwischen Standrohr und Lufthülse? Fox hat hier Durchlass-Bohrungen angebracht. Somit ist das Luftvolumen im Casting groß genug, dass die Hülse nicht zu einer Progressions-Steigerung der Federkennlinie führt. Damit erhält man mithilfe der Volumenspacern die volle Kontrolle über die Endprogression. Apropos Abstimmung: Der durch die Lufthülse verkleinerte Kolbendurchmesser der Gabel verlangt einen etwas höheren Druck. Etwa 10 psi mehr muss man in der 38 fahren, als in der 36.
Dämpfung
An der Dämpfungskartusche gibt es auch ein Upgrade. Wie bereits erwähnt hat Fox seine VVC-Technologie zwar schon letztes Jahr eingeführt – damals aber nur auf der Zugstufen-Seite. Das ändert sich dieses Jahr: Sämtliche Highspeed-Dämpfungs-Kreisläufe in den Grip2-Federgabeln werden durch das neue Ventil gesteuert. VVC setzt auf eine Blattfeder, die sich auf einer schneckenförmigen Bahn verdrehen lässt. Je nach Highspeed-Einstellung ist der Hebel, der auf die Blattfeder wirkt, größer oder kleiner. Bei großem Hebel kann der Öldruck den Shim einfacher vom Kolben heben, als beim kleinen Hebel.
Damit kommen in der Grip2-Kartusche rein vom Aufbau die gleichen Ventile für Zug- und Druckstufe zum Einsatz. Laut Fox macht das VVC ein Tuning – mit Ausnahme von Extremfällen – quasi obsolet. Abgesehen von dieser Neuerung bleibt bei der Kartusche alles beim Alten. Für die Lowspeed-Dämpfung werden weiterhin Nadelventile verwendet, die Grip2-Kartusche ist immer noch ein Monotube-Aufbau und die Volumenkompensation gelingt auch im Modelljahr 2020 durch einen Feder-vorgespannten Trennkolben.
Auf dem Trail
Nach der Montage im wuchtigen Carbonrahmen des Evil Wreckoning nickte ich anerkennend: Optisch passt das schonmal. Lange Jahre hat uns die 36 begleitet und mit immer voluminöseren Rahmen wirkte sie dann doch irgendwann etwas schmächtig. Auch am Gewicht hat Fox die letzten Jahre kontinuierlich optimiert und jeden Parameter weiter verfeinert. Mittlerweile liegt die 36 unter 2 kg. Ich bringe fahrfertig aktuell fast das Fünfzigfache auf die Waage. Diese Gewichtsklasse ist für die 36 eine Herausforderung und der direkte Vergleich mit einer massiveren Marzocchi Z1 brachte mich bereits seit längerem zum Grübeln. Was sollte man priorisieren? Die Lenkpräzision und Steifigkeit der Z1 oder die bessere Dämpfung der 36 Grip2? Tusch und Trommelwirbel: Fox bringt die 38 Grip2!
Mit der Setup-Empfehlung von Fox war ich bei der 36 und der 34 schon gut gefahren. Also befolge ich diese genau und klicke mich durch die Rädchen. Dann Parkplatztest. Fühlt sich fast ein wenig weich an die Kennlinie. Ob das wirklich so ist, das wird später der Trail zeigen. Nach einer entspannten ersten Abfahrt ist der Ring für die Federwegsausnutzung dann auch gar nicht mal so weit nach oben gewandert.
Mit jeder Minute auf dem Trail fordert die Fox 38 mehr – mehr Steine, mehr Wurzeln, steiler, schneller. Ganz als ob sie fragen würde: Ist das schon alles?
Bei jedem Lauf taste ich mich näher an das Fahrgefühl heran, provoziere härtere Landungen und fahre ungebremst in Steilkurven und über Sprünge. Souverän folgt die Fox 38 all meinen Eingaben und bügelt an der Front vor sich hin. Das Mehrgewicht gegenüber einer 36 ist spürbar, wenn man an Wurzeln zum Spielen abzieht. Aufgrund der guten Balance aus Kennlinie und Dämpfung versackt man aber nicht und kann so den Gewichtsnachteil etwas kompensieren. Mit jeder Minute auf dem Trail fordert die Fox 38 mehr – mehr Steine, mehr Wurzeln, steiler, schneller. Ganz als ob sie fragen würde: Ist das schon alles?
Ich komme an einen Punkt, an dem ich es zähneknirschend beim ersten Eindruck belassen muss. Es bräuchte deutlich mehr Höhenmeter und härtere Strecken, um auszuloten, wo das Limit der 38 liegt. Wenn die aktuellen Reisebeschränkungen und Restriktionen gelockert werden, reichen wir einen ausführlichen Test nach.
Fox 38 Factory – Meinung @MTB-News.de
Unser erster Eindruck der Fox 38 ist sehr positiv. Von der deutlichen Zunahme der Steifigkeit dürften von allem schwere Kaliber und Fahrer profitieren, die ihr Bike auch gerne mal auf Linie zwingen. Lenkimpulse werden sehr direkt umgesetzt und bei harten Landungen spürt man gegenüber einer 36 weniger Flex und Vibrationen. Je nach (Fahrer-)Gewichtsklasse wird das polarisieren. Mit der Dämpfung lässt sich an der Fox 38 sehr gut einstellen, wie viel Federweg man freigeben möchte, beziehungsweise wie hoch man im Federweg stehen möchte. Vorteil hierbei ist, dass man das schnell aufs Strecken- oder Fahrerprofil anpassen kann, ohne dabei gleich zu Volumenspacern oder Dämpferpumpe greifen zu müssen. Wir sind gespannt auf den Langzeittest!
Mehr Steifigkeit erkauft mit mehr Gewicht. Würdet ihr die neue Fox 38 der leichteren 36 vorziehen?