Letzten Sommer erhielten zehn Downhill-Begeisterte die Möglichkeit, an einem exklusiven Downhill-Camp mit Aaron Gwin teilzunehmen – inklusive eines glücklichen Lesers von MTB-News namens Sebastian, der die Teilnahme am Camp bei uns gewonnen hatte. Hier folgt nachträglich sein Erlebnisbericht eines Camps, das nicht nur viel Spaß gemacht hatte, sondern Sebastian alias IBC-User Osarias fahrtechnisch enorm viel gebracht hat. Viel Spaß beim Lesen!
Mit Erhalt der Gewinnbenachrichtigung am 22. Mai stieg direkt die Motivation. Das DH-Bike wurde nochmals durchgecheckt, der Urlaub sichergestellt und der Terminplan vom Camp analysiert. Ich entschied mich für eine frühe Anreise am Montag, um andere Teilnehmer kennenzulernen, das Rad fertig zu machen und natürlich in den Genuss des Wellness- und SPA-Bereichs der Riederalm zu kommen.
Am Abend fanden sich die ersten Teilnehmer zum Essen im eigens für das Camp reservierten Bereich ein und es gab natürlich vieles, um sich in Sachen Radsport während des Menüs auszutauschen. Ab 20 Uhr fand das Meet & Greet mit Aaron statt, das Team von Rasoulution stellte sich vor, Aaron erläuterte uns, wie er sich den Ablauf des Camps gedacht hatte und beantwortete im Anschluss allerhand Fragen.
Erster Tag: Von Exit Speed und Schlüsselbeinen
Tag 1 des Camps startete mit gemeinsamem Frühstück und anschließendem Treffpunkt am Lift. Dort wurde von Aaron Grundlegendes zur Bikevorbereitung und Setup-Vorgehensweisen erklärt, dann sahen er und sein Mechaniker John die Bikes der Teilnehmer durch. Wer Fragen hatte, konnte sich über detaillierte Antworten freuen und zusammen mit Aaron und John Veränderungen für das anstehende Camp vornehmen.
Eine „Warm-up“-Runde wurde auf dem Hang Man 2 gedreht. Direkt ging es ordentlich, aber nicht überzogen bergab. Im „Train“ konnte man beobachten, dass Aaron etwas andere Linien ansteuerte als manch anderer.
Wieder unten angekommen galt es nun, sich auf die Basics zu besinnen und im Leoganger Übungsparcours enge Anliegerkurven nach Aarons Vorgaben zu fahren. Die Message war, grundlegend sehr früh die Anlieger hoch anzufahren, meist sogar noch im Gras am Rande der Strecke. Aaron nannte das „Setup“, um einen möglichst hohen „Exit Speed“ zu erreichen. Auch die Blickführung der Teilnehmer wurde kommentiert: Man solle sich am Vorderrad etwas vorstellen, auf das man in keinem Fall hinschauen wollen würde. Aaron legte Markierungen in die Anlieger, welche abwechselnd oberhalb und unterhalb durchfahren werden sollten, um zu erfahren, wieviel Geschwindigkeit man wirklich zwischen zwei Anliegern verlieren kann und wieviel schwerer das Anfahren des nächsten in der Folge dann ist.
Leider gab es hier bereits den ersten Ausfall. Ein zusätzlicher, lokaler Fahrtechniktrainer, welcher zur Unterstützung angedacht war, brach sich direkt das Schlüsselbein, als ihm das Vorderrad nach oben über den Anlieger rutschte. Natürlich generierten wir viel Aufmerksamkeit, ein voll aufgerüsteter Downhill-Trupp inkl. Videoteam und Fotograf im Übungsparcours zwischen Kids mit ihren Eltern. Da blieb es nicht aus, dass Aaron reichlich Unterschriften verteilte und Bilder mit sich machen ließ!
Anschließend wurde wieder eine Runde Hang Man 2 mit Umsetzen der ersten Impulse absolviert. Unser Train wurde bereits hier deutlich schneller und Landungen der zahlreichen Wellen und Tables wurden gelegentlich ins Flat gesetzt. Aaron wechselte während der Abfahrten die Positionen in der Gruppe, sodass jeder mal hinter ihm fahren und er sich von jedem Teilnehmer bessere Eindrücke verschaffen konnte.
Nach einem kurzen Feedback am Ende des Trails ging es zur Bergstation und auf die Strecke „Hot Shots“. Am Einstieg mussten wir uns noch gedulden, da das Kamerateam vorgefahren war, um eine gute Location für spätere Videoanalysen zu finden. Unser Train war recht flott unterwegs und die Whips von Aaron und der Teilnehmer über die zahlreichen Sprünge waren ordentlich, bis unsere Abfahrt abrupt stoppte. Verletzter im Trail! Einen aus dem Videoteam hatte es erwischt … Er konnte einem Jugendlichen, der sich in einer nicht einsehbaren Stelle schiebend auf dem Trail befand, nicht mehr ausweichen. Obwohl er langsam unterwegs war, um eine gute Location zum Filmen zu finden, hatte er keine Chance – die Hand war gebrochen und ein Einsatz des Rettungsteams in die Wege geleitet. Hier hatte sich wieder gezeigt, wie essenziell es ist, den Fahrern die Verhaltensweisen auf den Trails immer und immer wieder mitzuteilen. Es darf sich nicht auf den Trails aufgehalten werden und man sollte auch an seinen Hintermann denken, wenn man erwägt, plötzlich irgendwo zu stoppen.
Nach dem zweiten Ausfall am Vormittag ging es zum Essen in das Restaurant an der Mittelstation.
Das Nachmittagsprogramm startete nochmals mit „Hang Man 2“, wo schlussendlich Aufnahmen für die abendliche Videoanalyse gemacht werden konnten, gefolgt von einer schnellen Hot-Shots-Abfahrt. Immer wieder wurden bei unseren Stopps Tipps und Tricks an die einzelnen Teilnehmer verteilt.
An der Einfahrt des “Bingo Bongo” wurden die Räder abgelegt und man besichtigte gemeinsam die ersten Bereiche des Trails. Aaron zeigte dann direkt seine Vorstellung, wie er diese Sektion fahren würde und man staunte nicht schlecht über die Geschwindigkeit und seine Vorstellung, Abschnitte zu überspringen. Er landete 2 Meter vor einer scharfen Rechtskurve und zirkelte spielerisch unter Volllast um die Kurve. Die Teilnehmer befuhren diese Sektion im Anschluss 4-5 mal, während jemand vom Team die Strecke absicherte. Hier wurde noch Optimierungsbedarf an Federelementen und an der Haltung auf dem Bike erkannt.
Mir wurde beispielsweise angeraten, die Ellenbogen weiter auszustellen, um Schläge besser mit der Brustmuskulatur zu absorbieren und eine allgemein tiefere Position auf dem Bike einzunehmen. Dennoch: An die gleiche Sprungweite wie Aaron über das gefühlt halbe Wurzelfeld ist keiner rangekommen. Man erlernte in weiteren Sektionen in diesen Trails auch, abseits der Hauptfahrrinne deutlich besser andere Linien zu sehen, um höheren „Exit Speed“ aus Anliegern zu generieren. Ein Teilnehmer nutzte ungewollt einen Anlieger als Absprungrampe und flog ordentlich ab, aber zum Glück passierte nichts.
Schnell noch die Bikes und die Ausrüstung ins Hotel geschafft, um die letzte Gondel auf den Berg zu erwischen – Track Walk stand auf der Agenda. Wir benötigten 2 Stunden, um den WC-Track abzulaufen. Jede Stelle wurde analysiert und kommentiert. Auch wurden Renngeschichten betreffend der einzelnen Sektionen zum Besten gegeben. Grundlegend kann man sagen: „All about exit speed“. Man muss abwägen, ob sich der Extra-Aufwand in der darauffolgenden Sektion auszahlt.
Vom Track Walk ging es direkt zum Abendessen. Das Programm war straff, sodass noch während der letzten Gänge des Menüs bereits die ersten Videos zur Analyse liefen. Hier konnte man bei mir sehen, dass ich leicht den Kopf mit in den Anlieger neige, was es zu vermeiden gilt: Dadurch wird die Gefahr erhöht, den Grip am Vorderrad zu verlieren. Auch die mögliche Neigung meines Bikes unter mir war eingeschränkt, was am folgenden Morgen noch in den Fokus geraten sollte. Ein weiterer Kritikpunkt bei anderen Teilnehmern war die Position der Knie. Es soll dem Rad Freiheit gegeben werden und mit den Knie leicht nach außen gefahren/gefedert werden. Auch macht es Sinn, beim starken Bremsen mit Flatpedals die Hacken zu senken, um mehr Bremsgrip zu generieren.
Zweiter Tag: Aha-Effekte und ab auf den Downhill-Track
Tag 2 begann mit Basic-Übungen auf dem Parkplatz. Es wurden vier Punkte gesetzt, um die im Wechsel links und rechts gefahren werden sollte. Hier stellte sich schnell heraus, dass ich die größten Probleme damit habe. Meine Sattelhöhe hatte mich bis dato nie gestört, bei genau dieser Übung aber immens. Nachdem das erste verhaltene Kürzen der Sattelstütze meinerseits um 2,5 cm nicht den gewünschten Effekt brachte, demontierte Aaron meinen Sattel und ich konnte einen Aha-Effekt erleben. Obwohl mich meine Sattelhöhe nie merklich eingeschränkt hatte, konnte ich nun mein Bike richtig schräg legen und dabei meinen Kopf gerade lassen. Ein weiteres Absägen um 4 cm war die Folge. Natürlich ist es ein klein wenig unangenehm, plötzlich im Fokus der gesamten Gruppe zu stehen und vor den Augen aller Teilnehmer und weiterer Zuschauer eine Übung immer und immer wieder zu absolvieren. Im Grunde ist so ein Kurs aber genau hierfür da. Mein Lenker wurde für eine bessere Gewichtsverteilung etwas nach hinten gedreht und die Front mittels Durchschieben der Gabel etwas höhergestellt. Andere Teilnehmer optimierten mit John ihr Fahrwerk.
Anschließend also der Downhill-Track. Die am Tag zuvor besprochenen Linien wurden Sektion für Sektion von Aaron vorgeführt und anschließend von uns mehrfach gefahren. Auch hier haben wir uns in der Strecke durch eine weitere Person vom Orga-Team abgesichert. Je nach Fahrkönnen wurden auch alternative Linien erörtert, da manch eine Linie von Aaron nicht von jedem umsetzbar war. Die letzten Stunden verbrachten wir mit durchgehenden Abfahrten auf dem DH-Track. Das hat richtig Spaß gemacht, im Train die Strecke zu ballern, die Verbesserungen bei seinem eigenen Fahren zu erleben und einfach eine super Zeit mit dem Trupp zu haben.
Nachdem wir die letzte Minute der Liftzeit ausgenutzt hatten und zurück im Hotel waren, traf man sich 10 Minuten später im Pool mit Aaron zum Kneippen im kalten Wasser und Relaxen im Whirlpool. Aaron ist ein super entspannter Typ, der gerne lacht und mit dem man scherzen und abhängen kann. Natürlich ist er ein Profisportler und lebt auch einen entsprechend disziplinierten Lifestyle, aber die Zeit zusammen mit ihm und den anderen Teilnehmern war einfach grandios. Ein super Camp mit super BBQ zum Abschluss – schade, dass es schon vorbei ist!
Mitgenommen habe ich große fahrtechnische Impulse, die man nun verinnerlichen kann und mit denen man nun weiß, worauf man bei sich selbst achten muss.
In diesem Sinne wurde am Donnerstag die dritte und letzte inkludierte Tageskarte genutzt, um den DH–Track mit anderen Teilnehmern zu shredden und die letzten Stunden so richtig zu genießen.
Viele Grüße
Seb
Welcher Fahrtechnik-Tipp hat euch schon mal einen richtigen Aha-Effekt verschafft?
Der Beitrag Sebastian beim DH-Camp mit Aaron Gwin: „All about exit speed!“ erschien zuerst auf MTB-News.de.