Seit den 90ern hat kein deutscher Fahrer mehr ganz vorne im Downhill World Cup mitgemischt. Bereits in der vergangenen Saison hat sich angedeutet, dass sich mit der thüringer Downhill-Hoffnung Nina Hoffmann eine Fahrerin die Ränge hocharbeitet, die an diesem Status Quo gerne etwas ändern würde. Dass es 2019 in ihrer vierten Downhill-Saison direkt für Platzierungen unter den Top 3 der Welt reicht, hat wohl nicht nur sie selbst überrascht. Wir haben Nina während ihrer Saison-Vorbereitung im Frühjahr in Jena und Saalfeld begleitet – viel Spaß mit dem Fotobericht!
Es in irgendeinem Sport in die Weltspitze zu schaffen, ist enorm schwer und bleibt nur einer extrem kleinen Gruppe von Menschen vorbehalten. Ein ungleich größerer Teil opfert oft die komplette Jugend, um auf ein Ziel hinzuarbeiten, das sich mit dem Eintritt ins Erwachsenenalter oder auf internationaler Bühne dann doch als unerreichbar zeigt. Ungefähr so erging es auch der 18-jährigen Nina Hoffmann, deren Speerwurf-Karriere nach einer Reihe von Verletzungen einen herben Dämpfer erlitt. Die Frustration dürfte jedoch nicht allzu lange gehalten haben, denn zur selben Zeit kam die Leichtathletin erstmals mit dem Downhill-Sport in Berührung – einer Disziplin, in der sie offensichtlich großes Talent aufweist. Nur vier Jahre später ist Nina in der absoluten Spitze des Sports angekommen, hat deutsche und europäische iXS Cup-Rennen gewonnen und stand bereits dreimal auf einem World Cup-Podium. Um besser verstehen zu können, wo Nina herkommt, wie sie in so kurzer Zeit so schnell werden konnte und wie sie sich auf ihre erste vollständige World Cup-Saison vorbereitet, haben wir die Thüringerin an ihrem Studien-Ort Jena sowie in ihrer Heimat Saalfeld besucht und beim Training begleitet.
Teil 1: Leichtathletik in Jena
„Ich hab bis 2015 Leichtathletik gemacht: Speerwerfen – und das auch leistungsmäßig! Zumindest wollte ich da auch an meine Grenzen gehen und wissen, was geht. Das ist dann darin geendet, dass ich mir relativ oft den Ellenbogen verletzt hab. Die Saisons ’14 und ’15 liefen dadurch einfach nicht so wie geplant. Ich habe dann meinen damaligen Freund kennengelernt, den Lucas. Und der ist halt schon immer Mountainbike gefahren. Ich wollte das auch ausprobieren – er hat mir ein Leihrad von sich gegeben, ein Fully, und mit dem bin ich direkt meine erste Tour mit ihm gefahren … und kam gar nicht drauf klar, wie geil das funktioniert, so ein Rad mit Federung hinten! Das hat total Spaß gemacht.
Das war 2014, da saß ich das erste Mal auf einem Mountainbike. Im Winter habe ich aber gesagt: Nein, ich muss fürs Speerwerfen trainieren, das ist meine Sportart und ich darf mich nicht verletzen und so … Der Sommer 2015 lief aber auch total kacke und dann hab ich gesagt, lass doch mal ein Downhill-Rennen mitfahren. Lucas war auch sehr begeistert und hat mir ein Downhill-Rad gekauft und mir sozusagen ermöglicht, mein erstes Rennen in Tabarz mitzufahren. Und das ist dann mit einer ziemlich guten Platzierung in der Hobby-Klasse geendet, sodass eigentlich die Entscheidung gefallen war: ich fahr ab jetzt Downhill!“
„Ich bin 2015 noch zwei Rennen in der Hobby-Klasse gefahren und habe quasi im Winter gesagt: ‘Ok, gut, ich fahr im nächsten Jahr in der Lizenz-Klasse und möchte dort meine Energie reinstecken!’ Ich hab dann aber noch recht viel Leichtathletik-Training gemacht und mich nicht so aufs Fahrrad spezialisiert. 2016 bin ich meine erste volle Elite-Saison gefahren und habe auch den Deutschen Cup in der Gesamtwertung gewonnen. Im Winter ’16/’17 hab ich das Training aufs MTB-Fahren umgestellt – viel mehr Ausdauer und so gemacht, weil mir das mega gefehlt hat. Ich war immer ganz schön platt nach so einem Rennwochenende.
Ich wollte 2017 eigentlich schon meinen ersten Weltcup fahren, hab mich aber im Mai leider am Ellenbogen verletzt, der war ausgerenkt. Fort William war schon geplant, die Fähre war gebucht, aber dann habe ich eben alles storniert. Ich war erst zur Deutschen Meisterschaft 2017 wieder fit und dann war mir das zu heiß, jetzt noch mit einem Weltcup anzufangen. Ich hab entschieden, dass ich 2018 meine erste Weltcup-Saison mache und so gedacht: ‘Naja, fährst halt erstmal mit und vielleicht qualifizierst du dich ja!’ Haha! Ich weiß auch nicht, woran es liegt, dass es so krass läuft – aber es läuft irgendwie einfach … keine Ahnung!“
„Ich glaube, ich bin einfach so ein Wettkampf-Typ. Wenn ich irgendetwas mache, dann muss ich es ordentlich machen und dann will ich mich auch mit anderen messen. Ich bin schon immer dazu bestrebt, das Beste zu geben. Dieser Ehrgeiz schlummert so ein bisschen in mir und deswegen war das für mich ein schnell klar: Lass doch mal probieren, wie gut ich im Mountainbiken bin, im Vergleich zu anderen. Klar, ich saß damals schon ein paar Mal auf einem Mountainbike an sich, aber irgendwie kitzel ich dann halt doch gerne die Grenzen heraus und bin deshalb auch dieses Rennen fahren. Das gibt’s mir halt auch mega, ich glaub nur so Mountainbiken … vielleicht mal irgendwann in ein paar Jahren, aber jetzt zurzeit müssen Rennen auf jeden Fall sein.“
Teil 2: Trailbiken in Jena
„Im Winter habe ich zirka acht bis zehn Trainingsinheiten in der Woche, am Wochenende mache ich Grundlagen und Ausdauer. Wir haben jetzt bis Dezember viele alternative Sachen gehabt: Joggen, Schwimmen, Bouldern, so einen Kram. Da mache ich dann auch gern mal Vormittag und Nachmittag je eine Einheit. Wenn ich morgens zum Beispiel turne, dann ist eigentlich meistens noch eine Rollen-Einheit drin. Das verträgt sich ganz gut, die Stunde Turnen ist nicht so schlimm. Da kannst du dich auch nochmal schön 1 bis 1,5 Stunden aufs Rad setzen und bist bei zwei Stunden Training am Tag, das ist gar nicht so viel. Aber es sind eben zwei Einheiten. Wenn ich irgendetwas Hartes mache, dann mache ich nur eine Einheit am Tag – in den Ruhephasen wächst der Muskel!“
„Mountainbiken ist irgendwie ein ganz anderer Sport als das Speerwerfen. Beim Speerwerfen geht’s halt wirklich um Perfektionismus: die eine Bewegung in dem einen Moment! Und man trainiert immer wieder das Gleiche. Auch das ganze Umfeld ist ein anderes. Nicht, dass es unschön ist, aber es ist halt anders. Beim Mountainbiken ist es viel entspannter, lockerer, nicht so krass professionell, viel familiärer und dieses ganze Rennwochenende, das Drumherum, die Leidenschaft, das hat’s viel mehr beim Mountainbiken. Und das ist irgendwie das, was mich glaube ich auch so fasziniert hat: diese Leidenschaft, dieses Leben fürs Fahrradfahren, für den Sport, das Reisen und das ganze Drumherum. Klar, man fährt Rennen, man hat den Wettkampf, aber man hat halt auch die Freunde, mit denen man dort ist und das macht’s halt auch einfach aus.“
Teil 3: Tourguide im Bergwerk
„Das mit dem Bergwerk hat Lucas schon gemacht, bevor er mich kannte. Meine zweite Mountainbike-Tour mit ihm war im Bergwerk, da musste ich gleich noch unter Tage. Immer, wenn’s mehr Leute als sechs Mann werden, machen wir das mit zwei Guides, sodass der Flow erhalten bleibt. Da hatte er die Idee, dass ich das doch ab und zu machen könnte. 2015 hab ich angefangen, hier und da zu guiden. Am Anfang bin ich nur mitgefahren als zweiter Guide und dann meinte er irgendwann, ‘willst du nicht auch mal eine eigene Tour machen?’ Da hat er mir das alles gezeigt und mich angelernt … das Trailnetz dort unter Tage ist recht verwirrend, wenn man sich nicht auskennt. Sonst ist das eigentlich easy. Zur Zeit (im Februar 2019, Anm. d. Red.), weil er einen Kreuzband-Riss auskuriert, übernehme ich alle Touren und bin deswegen am Wochenende eigentlich immer ausgeplant und eingespannt.“
Teil 4: Downhill-Training in Saalfeld
„Letzten Winter fand ich mein Setup, so wie es ist, sehr cool und deswegen hab ich mich auch dagegen entschieden, in ein Team zu wechseln. Ich hab drüber nachgedacht letzte Saison. Was mir das Setup momentan nicht geben kann, ist ein Race-Support in dem Sinne, dass ich einen Mechaniker vor Ort habe, der mir jederzeit das Bike richtet, sich um alles drumherum kümmert. Irgendein Manager, der Flüge bucht und Reisen organisiert. Es ist aber auch so, dass ich diesen Sommer nicht so viel bis gar nicht studiere und dadurch halt Freizeit habe. Ich organisiere Dinge auch gerne selber und genieße die Freiheiten, die ich habe: Dass ich meine eigenen Sponsoren, mit denen ich zusammenarbeite, raussuchen kann, zu denen allen ich auch ein recht gutes Verhältnis habe. Und das wollte ich nicht aufgeben. Auch mit Santa Cruz habe ich eine sehr gute Beziehung und bin sehr zufrieden, wie das momentan ist und läuft. Diese Saison werde ich das so machen, aber für 2020 schaue ich mich definitiv nach einem Team um.“
„Ich bekomme die Saison irgendwie organisiert, das geht schon. Es sind jetzt wirklich einige Leute auf mich aufmerksam geworden und haben mir in vielerlei Hinsicht Hilfe und Unterstützung angeboten, das ist mega cool. Ich hab auch von Wyn Masters den Privateer-Award bekommen, was eine tolle Unterstützung ist. Ich hab einen Kumpel gefunden, der auf zwei World Cups mitgekommen ist. Die Reise zur WM nach Kanada und zum letzten World Cup in die USA ist jetzt abgesichert und geplant.
Außerdem bekomme ich vom Santa Cruz Syndicate diese Saison Support in dem Sinne, dass, wenn ich irgendwas habe, ich jederzeit vorbeikommen kann. Dann macht mir Marshy was am Rad, Laura, die Physio, kann mich mal durchkneten oder die Team-Managerin Kathy hilft mir auf eine andere Art und Weise. Zum Beispiel in Leogang war am Sonntag Vormittag so viel los in unseren Pits, dass ich mich bei denen hingesetzt habe und mal etwas runterfahren konnte. Das ist total cool, aber es gibt für nächstes Jahr keine offiziellen Verhandlungen, Verträge, Pläne oder irgendwas. Das ist alles noch am Entstehen und überlegen und ich weiß auch noch nicht, ob das in irgendeiner Weise klappen könnte, aber das wäre natürlich mega cool.“
„Nach Fort William habe ich mir eigentlich gar keinen Druck gemacht. Ich muss ich fast sagen, dass es mir zu schnell geht alles – mit diesem zweiten und dritten Platz. Viele haben dann in Leogang auch gesagt: ‘Boah, wenn die Tracey jetzt noch gestürzt wäre, überleg mal, du wärst Erste geworden, das wäre so geil gewesen!’ Ne, das wäre überhaupt nicht geil gewesen. Weil: ein Weltcup-Sieg, das ist etwas … da muss man irgendwie drauf hinarbeiten und es geht mir gerade alles ein bisschen zu schnell, weshalb ich mir gar keinen Druck mache. Ich habe meine Ziele für diese Saison erreicht und alles, was jetzt kommt, ist halt Zugabe. Und wenn es jetzt mal nicht so läuft, dann weiß ich, dass Fort William und Leogang super liefen und dass ich es kann. Druck ist aktuell kaum da, ich glaube, der kommt eher, wenn man mal wieder runterfällt. Also, wenn man schon einen Weltcup gewonnen hat oder Dritte, Vierte war und dann läuft es mal eine Saison schlecht. Ich glaube, dann kommt der Druck. Aber momentan ist der noch nicht so sehr da bei mir.”
Was sagt ihr zur Blitzkarriere von Nina Hoffmann?
Der Beitrag Zu Besuch bei Nina Hoffmann: Wer ist die deutsche Downhill-Hoffnung? erschien zuerst auf MTB-News.de.